Alpen Stummfilm erzählt von Veener Tagen im Krieg

Alpen · Der Förderverein Haus der Geschichte in Veen zeigt einen Film, den der Priester Wilhelm Hetterix vor 76 Jahren privat gedreht hat.

Zeugen der Zeit, als Krieg war in Deutschland, werden immer rarer. Um so wertvoller sind die 25 Minuten Stummfilm, die den Betrachter mit bewegten Bildern zurückführen in die Tage, als im Dorf Veen der alte Kirchturm auf St. Nikolaus noch spitz zulief, ehe hier Bomben vom Himmel fielen und den Turm zum Einsturz brachten. Der Verein für Brauchtum und Geschichte ist froh, dass er den Streifen in seinem Fundus hat. Den hat er am Tag des Denkmals im Heimatmuseum uraufgeführt. "Es ist ein wertvolles Dokument, ein lebendiges Zeugnis der bäuerlichen Lebensverhältnissen im Dorf zu einer Zeit, die so viele selbst nicht mehr erlebt haben", sagt Willi Jansen, Vorsitzender des Fördervereins Haus der Veener Geschichte. Und der Film liefert ein kleines Porträt des jungen Mannes, der ihn damals mit seiner Kamera gedreht hat: Wilhelm Hetterix, Sohn des Dorfes, Priester und bis zu seinem Tod im Jahre 1995 Pfarrer der Kirchengemeinde St. Willibrord in Kleve-Rindern.

Der Film war lange in Besitz des verstorbenen Veener Kirchenvorstandes Heinz Hußmann. Er hat ihn dann dem Förderverein vermacht. Der hat den Streifen an die Bundesfilmzentrale geschickt - auch um prüfen zu lassen, ob darauf Sequenzen zu sehen sind, die das Kriegsgeschehen auf eine Art festhalten, die heutige Betrachter mit Befremden zurücklassen würden. Es kam Entwarnung.

Auch die Bilder vom Aufenthalt des Soldaten-Priesters im Kaukasus sind harmlos erzählend. Der Verein ließ den Film bei einer Agentur Höffkes im münsterländischen Gescher digitalisieren. Jetzt kann ihn Filmvorführer Jürgen Zänker im Haus der Geschichte bei Bedarf problemlos laufen lassen und jederzeit anhalten, wenn Zuschauer intensiver über ein ganz bestimmtes Bild sprechen wollen.

Die Hauptrolle, zumindest im ersten Teil des Streifens, spielt Mutter Maria Hetterix, geb. Steegmann. Stets dunkel gekleidet, mit Schürze, das graue Haar zum Dutt geformt, das Gesicht mit vom Wetter gefärbten Wangen, die Hände von Arbeit gezeichnet - eine uneitle Landfrau - wie so viele zu dieser Zeit.

Der Sohn filmt sie im Bauerngarten, wie sie auf den von Buchsbaum gesäumten Wegen geht, kritisch darauf schaut, ob alles wächst und gedeiht. Oder mit einer weißen Schüssel - die Emaille ist an einigen Stellen abgeplatzt - voller Kartoffeln, die sie gerade eigenhändig ausgemacht hat. Die schält die Frau, deren Alter kaum zu schätzen ist, auf dem Boden knieend mit geübter Hand.

Eine andere Szene zeigt Maria Hetterix mit einer Bekannten auf dem winterlichen Feld bei der Grünkohl-Ernte und - Schnitt - wie sie sich routiniert und offenbar völlig furchtlos um die Bienenvölker hinterm Haus kümmert. Das hat mitten im Dorf gegenüber der Gastwirtschaft Terlinden ("Zur Deutschen Flotte") gestanden. Die Fassade hat der Förderverein später beim Museumsbau nachempfunden und so hinübergerettet ins Heute. Maria Hetterix trägt ihre Schürze auch auf dem Friedhof, wo sie sich, über einen einsernen Gitterzaun um eine Gruft gebeugt, mit einer Frau unterhält - die knochigen Hände gefaltet.

Die Szenen spielen um 1940/41. Kinder tollen auf der Dorfstraße ausgelassen im Schnee, zwischen Jungen und Mädchen fliegen Schneebälle hin und her. Ein stolzer Herr mittleren Alters im Anzug und mit Hut erscheint, Zigarre in der Hand - vermutlich Vater Hetterix.

Der Sohn, ein gut aussehender junger Mann, 33 Jahre alt, zeigt sich in Fliegeruniform. Gut gelaunt, steht er im Fenster und winkt, neben ihm eine hübsche Frau mit einer Blume in der Hand - vermutlich seine Schwester. Willi Heeterix, Veen nennt ihn auch beim Spitznamen "Bertes Will", verabschiedet sich von seiner Familie und seinem Heimatdorf. Der vor allem bei Jugendlichen beliebte Kaplan der Kirchengemeinde Christus-König in Kleve ist 1940 zum Militärdienst eingezogen worden und steht kurz vor dem Abmarsch in den Kaukasus.

Auch dort liegt Schnee auf den weiten Feldern. Deutsche Soldaten kommen in Bild, plaudern ungezwungen mit jungen Damen, von denen manche Kopftuch tragen. Auch der Militärpfarrer lässt sich, Zigarre rauchend, beim lockeren Plausch mit zwei Frauen filmen, sein dichter dunkler Haarschopf wird vom Wind verwegen nach hinten geplustert.

Dann wechselt die Kulisse. Pferdefuhrwerke poltern übers Kopfsteinpflaster einer unbekannten Stadt, Soldaten mit Stahlhelmen kommen aus der Kirche, Männer in dunklen Mänteln mit Hüten und langen Bärten eilen durch die Gassen, Armbinden weisen sie als Juden aus.

Szenenwechsel. Ein zotteliger Hund kebbelt sich mit ein paar Hühnern, Frauen sitzen in Trachten draußen auf einem Sofa und sticken. Neue Szene: Soldaten beim Essen im Feld, dann auf der Schießbahn und schließlich nach dem Aufstehen, als sie auf einem Acker gerade aus ihren kleinen Tarnzelten kriechen. Einer streift ein Uniformhemd über sein weißes Trikot. An der zerzausten Haartolle erkennt man Wilhelm Hetterix. Dann das Finale: eine Prozession, Menschen tragen jeweils zu zweit große Kränze aus Tannengrün, gefolgt von einer Gruppe schwarz gewandeter Priester. Dahinter wird in der Menge ein Sarg getragen - ein Beerdigungszug.

Willi Hetterix ist aus dem Krieg an den Niederrhein zurückgekehrt und hat hier Jahrzehnte als Seelsorger gewirkt. Am 24. November 1995 ist er "in seiner geliebten Wahlheimat Winnekendonk" , wie es im Totenbrief heißt, im Alter von 88 Jahren gestorben. Willi Brammen (66) vom Förderverein kann sich an den Priester erinnern. Er war damals Messdiener bei Gottesdiensten in der Kapelle im Achterhoek.

Ehrenmitglied Anton Gietmann - gerade 80 - hat Pastor Hetterix als "lebenslustigen, weltoffenen Mann, der in der Predigt auch mal einen Witz rausgehauen hat" in Erinnerung. Gietmann hat in den 60er Jahren als Kirchenvorstand den "Veener Jong" immer sonntags in aller Herrgottsfrühe mit dem Auto aus Winnekendonk abgeholt, wenn der als Urlaubsvertreter für den Veener Pastor die erste Messe las. "Der hatte ein eigenes Auto, war aber ein sehr sparsamer Mann", sagt Gietmann augenzwinkernd.

Der Heimat- und Geschichtsverein plant eine öffentliche Filmvorführung. Wer den Streifen sehen möchte, kann sein Interesse auf der Facebook-Seite vom Förderverein "Haus der Veener Geschichte" bekunden.

(RP)
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