Rp-Serie 50 Jahre Lebenshilfe unterer Niederrhein (Teil 4) Übergang in den Ruhestand gestalten

Xanten · Bald erreicht die erste größere Gruppe von Menschen mit Behinderung das Rentenalter. Und dann? In der Werkstatt der Lebenshilfe in Veen werden die Mitarbeiter in der "Vital im Alter"-Gruppe gezielt auf die Zeit nach der Arbeit vorbereitet.

 Wilma Altendorf nutzt gerne das Kreativangebot von Betreuerin Marianne Winkler

Wilma Altendorf nutzt gerne das Kreativangebot von Betreuerin Marianne Winkler

Foto: , das im Rahmen der "Vital im Alter Gruppe in der Lebenshilfe-Werkstatt in Veen angeboten wird.

Wilma Altendorf arbeitet gerne. Seit 1978 ist sie ununterbrochen in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) der Lebenshilfe Unterer Niederrhein tätig. Die ersten Jahre arbeitete sie in Rees. Seit der Eröffnung der Veener Werkstatt 1993 ist sie dort in der Verpackungsabteilung beschäftigt. "Die Arbeit macht mir immer noch Spaß, aber in meiner alten Abteilung ist es mir irgendwann zu laut und hektisch geworden", sagt die 55-Jährige.

Gar nicht laut und hektisch geht es im Raum der "Vital-im-Alter" (ViA)-Gruppe in der Veener Lebenshilfe-Werkstatt zu. Im Gegenteil. Wilma Altendorf und ihre Arbeitskollegen sitzen gerade mit dem dreiköpfigen Betreuerteam um den Tisch herum. In der Morgenrunde erzählen alle, wie sie sich heute fühlen. Danach wird der Tag geplant. Wer möchte welchen Gemeinschaftsdienst übernehmen? Welche Arbeiten liegen an? Welche kreativen oder gesundheitsfördernden Angebote stehen auf dem Plan? "Jeder kann hier mitentscheiden, was er gerne machen möchte", sagt Gruppenleiter Thomas Dura. Wilma Altendorf beispielsweise übernimmt den Küchendienst und nutzt das Kreativangebot. "Ich male sehr gerne", sagt die Hobbykünstlerin.

Seit März arbeitet sie nun in der damals neu gegründeten ViA-Gruppe, die derzeit aus elf Mitarbeitern besteht. Ziel der Gruppe ist es, den älter werdenden Menschen in der Veener Werkstatt einen möglichst problemlosen Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen und das Älterwerden aktiv zu gestalten. Das innovative Konzept besteht aus einem ganzen Bündel von Maßnahmen: Arbeiten ohne Produktionsdruck, Unterstützung bei der Alltagsplanung, arbeitsbegleitende Angebote oder Gespräche, bei denen die Gruppenleiter herausfinden möchten, wie sich der Mitarbeiter seinen Ruhestand überhaupt vorstellt. All das dient dazu, den Menschen eine Alltagsstruktur zu geben und sie auf den Ruhestand vorzubereiten. "Das Wichtigste ist, den Menschen nichts vorzuschreiben, sondern sie eigenständig entscheiden zu lassen", sagt Dura. Das sei gelebte Inklusion.

Die Mitglieder der ViA-Gruppe kommen sowohl aus dem Produktionsbereich als auch aus den Arbeitsgruppen mit intensiver Förderung. Die Inklusion fängt also schon in der WfbM Alpen-Veen an. Die Betreuung kann, wie bei Wilma Altendorf, ganztägig erfolgen, aber auch halbtags oder stundenweise. "Wir orientieren uns da ganz am jeweiligen Bedarf", erklärt Dura.

Und der wird größer. Denn so wie Wilma Altendorf ergeht es vielen älter werdenden Menschen mit Behinderung: Sie möchten zwar noch arbeiten, sind aber nicht mehr so belastbar wie früher. Der Ruhestand rückt näher - und mit ihm die Frage: Wie gestalte ich dann meinen Tag? Das Besondere bei den Menschen mit Behinderung ist, dass es noch keine Erfahrungswerte für den Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand gibt. Die jetzige Generation, ist die erste, die als größere Gruppe das Rentenalter erreicht. Das hat zwei Gründe: Einerseits ist die Lebenserwartung gestiegen. Andererseits hatte wegen der Euthanasieverbrechen der Nazis noch keine Generation behinderter Menschen vorher überhaupt die Chance, alt zu werden.

Die "Vital im Alter"-Gruppe leistet somit Pionierarbeit. Und kommt damit gut bei den Mitarbeitern an. "Mir gefällt es sehr gut hier", sagt Wilma Altendorf. "In der Gruppe fühle ich mich wohl."

(RP)
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