Rheinberg Viele offene Fragen zum geplanten Polder

Rheinberg · In einer Sondersitzung erfuhr der Rheinberger Rat gestern Abend, auf welchem Stand sich die Planung des gigantischen Rheinhochwasserauffangbeckens befindet. Ein mehr als sieben Kilometer langer Deich muss neu gebaut werden.

 Ein Blick in die Wiesen bei Orsoy-Land. Dieses Gebiet zwischen Ossenberg und Eversael soll künftig eingedeicht werden. Der Polder soll zusätzlichen Schutz vor Hochwasser bieten.

Ein Blick in die Wiesen bei Orsoy-Land. Dieses Gebiet zwischen Ossenberg und Eversael soll künftig eingedeicht werden. Der Polder soll zusätzlichen Schutz vor Hochwasser bieten.

Foto: Armin Fischer

Bis er gebaut wird, werden noch einige Jahre vergehen. Denn momentan ist die Planung noch nicht abgeschlossen. Sicher ist: Der Polder Orsoy-Land wird ein Bauwerk von immenser Größe und bedeutet einen enormen Eingriff in die Natur. Aber: Er wird den Menschen zusätzlichen Hochwasserschutz bieten. Gestern ist in einer Sondersitzung des Rates der bisherige Planungsstand für das gigantische Rheinwasserauffangbecken in der Stadthalle vorgestellt worden.

Siebeneinhalb Kilometer Banndeich müssen zwischen der Schleuse Ossenberg (die abgerissen und neu gebaut wird) und Eversael errichtet werden. Im Durchschnitt vier, in der Spitze sieben Meter hoch. In Richtung Eversael wird ein 800 Meter langes Einlaufbauwerk gebaut, dessen Schwelle 40 Zentimeter unter der angenommenen Höchstmarke von 25 Metern angelegt wird, so dass das Rheinwasser bei einem Extremhochwasser kontrolliert in den Polder laufen könnte. Drei Tage würde es dauern, bis 20 Millionen Kubikmeter Wasser eingeflossen sind. "Der Pegel des Rheins würde dann bis in die Niederlande um acht Zentimeter sinken", sagte Erik Buschhüter vom NRW-Umweltministerium. "Das hört sich nicht viel an, macht bei einem solchen Hochwasser mit einer 350- bis 400-jährlichen statistischen Wahrscheinlichkeit aber viel aus."

Schon seit mehr als zehn Jahren laufen die Vorbereitungen für diesen "gesteuerten Rückhalteraum", dessen Träger der Deichverband Orsoy ist und der zu 100 Prozent vom Land finanziert wird. Ob er jemals gebraucht wird? Buschhüter brachte Beispiele: "Vorher steht Köln schon längst unter Wasser. Bei den Hochwassern 1993 und 1995 wäre kein Wasser eingeströmt."

Bevor ein solches Jahrhundertwerk in die Tat umgesetzt werden kann, bedarf es intensiver Vorbereitungen. Die Eigentumsverhältnisse, der Naturschutz, die Auswirkungen auf den Grundwasserstand und damit auf die nahe gelegenen Siedlungen, die Folgen für die Landwirtschaft und die dort wild lebenden Tiere - das alles muss geregelt sein.

Ministerialbeamter Buschhüter machte deutlich, "dass wir das Projekt möglichst mit allen Betroffenen und im Konsens entwickeln wollen". Viktor Paeßens, Deichgräf des zuständigen Deichverbands Orsoy, sagte: "Es wird nichts mit Zwang durchgesetzt. Wir setzen auf Freiwilligkeit." Inzwischen zeichne sich ein Konsens ab, was aber nicht heiße, das alle hundertprozentig einverstanden sind.

Dr. Michael Patt vom beauftragten Planungsbüro Patt schilderte die bisher geplante technische Umsetzung. So soll es neben dem Einlaufbauwerk auch ein Auslaufbauwerk an der Ossenberger Schleuse geben. Darüber könnten zwölf der 20 Millionen Kubikmeter Polderwasser wieder zurück in den Rhein entlassen werden. Der Rest flösse nach Wochen über den Altrhein zurück in den Strom.

Unklar ist noch, wo und wie eine Verbindung von Innenstadt und Polder hergestellt werden soll. Konsens bestehe jedoch darin, dass der Polder eingeschränkt für die Landwirtschaft und zu Erholungszwecken genutzt werden kann. Auf den Deichkronen werden öffentliche Wege angelegt.

Die Wahnsinnsmengen an Baumaterial, die für den Deichbau benötigt werden, sollen zum allergrößten Teil dem Poldergebiet entnommen werden. Zahlen, die man kaum fassen kann: 450 000 Kubikmeter Lehm, 53 000 Kubikmeter Feinsand und 350 000 Kubikmeter Kies-Sand-Gemisch. "Nur" 100 000 Kubikmeter Kies müssten angeliefert werden.

Der Rat hatte Verständnis für die Hochwasserschutzmaßnahme, es gab jedoch kritische Fragen. So gab etwa Josef Devers (CDU) zu bedenken, dass die Stadt die Hoheit über eine 8,8 Millionen Quadratmeter große Fläche aus der Hand gäbe.

(RP)
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