Rheinberg "Wir für uns" - Verantwortung als Fach

Rheinberg · Martin Reichert und Thomas Ververs haben an der Europaschule Rheinberg eine neue Unterrichtseinheit entwickelt.

 Fünf "Wir für uns"-Lehrer (von rechts): Martin Reichert und Thomas Ververs mit ihren Kollegen Florian Gausmann (Bereich Sport- und Spielehelfer), Simone Bösing (Eine-Welt-Scouts) und Mila Tekin (Bühnenprofis).

Fünf "Wir für uns"-Lehrer (von rechts): Martin Reichert und Thomas Ververs mit ihren Kollegen Florian Gausmann (Bereich Sport- und Spielehelfer), Simone Bösing (Eine-Welt-Scouts) und Mila Tekin (Bühnenprofis).

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Man kennt den alten, stets gut gemeinten Lehrer-Ratschlag an die Schüler: "Ihr müsst Verantwortung übernehmen!" Aber wie soll man das machen, wenn man als junger Mensch keine Möglichkeit hat, Verantwortung zu übernehmen? Diese Fragestellung war der Ausgangspunkt für ein neues Unterrichtsfach an der Europaschule in Rheinberg. Es heißt "Wir für uns" und fällt in die Kategorie Peer-Group-Education. Sinngemäß übersetzt heißt das: Etwa gleichaltrige Kinder oder Jugendliche lernen voneinander. In diesem Fall: Verantwortung.

Martin Reichert (Abteilungsleiter I für die Jahrgänge 5 und 6) und Thomas Ververs (Ganztagsschulkoordinator) haben das Fach entwickelt. "Zunächst haben wir uns zwei Monate lang die Bälle zugeworfen, dann haben wir ein halbes Jahr konkret daran gearbeitet, bevor wir das Ergebnis zunächst der Schulleitung, dann den Eltern und Schülern vorgestellt haben", so Martin Reichert.

Seit Beginn dieses Schuljahres wird "Wir für uns" nun an der Europaschule unterrichtet. Im ersten Halbjahr sind Neuntklässler an das Thema herangeführt worden, bevor sie sich für eines von neun Modulen entscheiden mussten. Diese thematischen Bausteine sind Streitschlichtung, Schulsanitätsdienst, Schüler helfen Schülern (Nachhilfe), Sport und Spielehelfer, Art Deco (Kunst und Kreatives, Klassenraumgestaltung), Bühnenprofis (Technik und Entertainment), Eine-Welt-Scouts (Thema Flüchtlinge, künftig auch Verkauf von Fair-Trade-Artikeln in der Schule), Medienscouts (Orientierung im Internet) sowie die Aktiv-Bilis (bilinguale Sprachangebote, Kontakt zu Partnerschulen etwa in den Niederlanden). Das Prinzip ist in allen Fällen gleich: Die älteren Schüler bringen den jüngeren etwas bei und wachsen selbst an dieser Aufgabe. Martin Reichert: "Die Schüler führen Tagebuch über ihre Aktivitäten, am Ende werden sie zertifiziert." Auf dem Zeugnis wird die Beurteilung vermerkt. In den Jahrgängen 7 und 8 werden die Europaschüler auf das fach "Wir für uns" vorbereitet, bevor es dann in der Jahrgangsstufe 9 in die Praxis geht.

Der Abteilungsleiter: "Weil es sich um ein neues Unterrichtsfach handelt, evaluieren wir es ständig." Die Erkenntnisse werden also dokumentiert und genau ausgewertet. Lehrer Thomas Ververs ergänzt: "Uns ist es auch wichtig, die Eltern mit ins Boot zu holen."

Beim nordrhein-westfälischen Schulministerium ist "Wir für uns" auf großes Interesse gestoßen, wie Norbert Giesen, Direktor der Rheinberger Europaschule, unterstreicht: "Wir werden es im Februar auf der Bildungsmesse Didacta in Köln am Stand des Ministeriums vorstellen." Nach einer Fachtagung zum Thema "Ganztägiges Lernen" in Berlin - Martin Reichert saß dort auf dem Podium - zeichnete sich bereits ab: Das neue Fach mit zwei Wochenstunden wird Nachahmer finden.

Norbert Giesen ist begeistert von der Neuerung: "Es ist gut. Hier lernen die Kinder wirklich etwas fürs Leben." Martin Reichert ist sich sicher, dass es an allen weiterführenden Schulen installiert werden kann. Er nennt einen Vorteil: "Wenn die Schüler Verantwortung übernehmen, werden letztendlich auch die Lehrer entlastet."

(RP)
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