Rheinberg Zum Kuckuck mit dem alten König

Rheinberg · Aus einer Schnapsidee beim Schützenverein Lohmühle ist eine skurrile Tradition geworden: Der scheidende Schützenkönig vergräbt beim "Knook begrawe" einen dicken Rinderknochen im Wald.

 Letzte Amtshandlung des Königs: Hermann Barten gräbt persönlich den Knochen im Grab ein, der Grabstein ist schon fertig.

Letzte Amtshandlung des Königs: Hermann Barten gräbt persönlich den Knochen im Grab ein, der Grabstein ist schon fertig.

Foto: Olaf Ostermann

Wer von Budberg aus am Feuerwehrgerätehaus in Pelden vorbei in Richtung Vierbaum fährt, kommt durch ein Wäldchen, das so klein ist, dass man es kaum wahrnimmt. "Kuckuck" nennen es die Einheimischen liebevoll. Einen Steinwurf vom Peldenweg entfernt, verborgen unter den mächtigen Kronen alter Eichen, beherbergt der Kuckuck einen am Niederrhein wohl einzigartig skurrilen Ort. In drei Reihen aufgegliedert befinden sich dort 26 Grabsteine, versehen mit den Namen von Königen und ihrem Gefolge. Ist das schon ungewöhnlich genug, kommt es nicht selten vor, dass die auf den Grabsteinen vermerkten Personen persönlich die Grabpflege übernehmen und als Krönung des Ganzen kommt auch noch alle zwei Jahre ein neuer Grabstein hinzu. In diesem Jahr wird es wohl Hermann Barten sein, der ein Stiefmütterchen an seinen Grabstein bringt.

Der Grund dafür ist, dass Barten am 8. Mai nach einem spannenden Wettkampf sein Zepter an Thomas Tennstedt verlor. Anlass für übermäßige Trauer ist allerdings nicht gegeben, denn Hermann Barten war in den vergangenen drei Jahren der Schützenkönig des Bürgerschützenvereins Lohmühle. Und dieser Verein pflegt seit 58 Jahren eine ganz spezielle Tradition: das "Knook begrawe". Dabei wird ein Knochen - in der Regel ein dicker Rinderknochen - in ein zuvor vom Schützenthron ausgehobenes Grab im Kuckuck gelegt. So symbolisiert der Verein das Ende des Schützenfestes und somit auch der Regentschaft des Königs samt Thron.

"Das war mal eine Schnapsidee. Wir saßen nach dem Schützenfest im Adler, da meinte jemand, den König könne man jetzt begraben", erzählt Heinz-Georg Bergs. Weil der damit verständlicherweise nicht so recht einverstanden war, besorgte man in der örtlichen Metzgerei kurzerhand einen Rinderknochen als Symbol. Aus dem ehemaligen Königsfriedhof wurde irgendwann ein Baggersee, also hat man die Könige "umgebettet". Seitdem ist es die letzte Amtshandlung eines jeden Regenten, im Kuckuck einen Grabstein mit Inschrift zu errichten.

Pünktlich um 17 Uhr war es jetzt wieder so weit. Vor ihrem Vereinslokal "Orsoyer Berg" (Honnen) trafen sich die Bürgerschützen, um ihrem scheidenden König beizustehen. Nachdem die Fahnen eingeholt worden waren, marschierte der Tross unter der musikalischen Begleitung des Spielmannszuges Vierbaum zum Kuckuck. Vorneweg zogen die Grenadiere als Leibgarde des Königs einen Bollerwagen, in dem der "Knook" hing. Im Kuckuck angekommen, griff der König höchstpersönlich zum Spaten, um das Grab auszuheben. Zu einer ordentlichen Bestattung gehört die richtige Stimmung, und so sangen die Schützen mit traurigen Gesichtern und voller Inbrunst das Lied von der toten Krähe.

Dass die Trauer so echt wirkte, wunderte Guido Eysenbrandt nicht. "Schließlich beginnt für uns Schützen jetzt die zweijährige Fastenzeit", erklärte der Vorsitzende des BSV Lohmühle. Bis dahin galt es aber noch, das Fell des Königs zu versaufen. "Für den Notfall haben wir noch Bier in Reserve. Ich hoffe doch sehr, dass dieser Notfall heute eintrifft", ermunterte "Hermann I." sein Volk ein letztes Mal.

(erko)
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