Rommerskirchen Durch Stolpersteine soll Erinnerung bleiben

Rommerskirchen · Historiker Josef Wißkirchen stieß bei seinem Vortrag eine Diskussion an: Wie soll der von den Nazis ermordeten Juden gedacht werden?

 Der Historiker Josef Wißkirchen vor dem Haus an der Gillerstraße 4, wo einst die Familie Roesberg wohnte, deren Tochter heute noch in den USA lebt.

Der Historiker Josef Wißkirchen vor dem Haus an der Gillerstraße 4, wo einst die Familie Roesberg wohnte, deren Tochter heute noch in den USA lebt.

Foto: LH

In solcher Eindringlichkeit ist die Frage öffentlich wohl noch nicht gestellt worden: Wie soll die Gemeinde Rommerskirchen der einst hier lebenden und von den Nationalsozialisten vertriebenen und ermordeten Juden gedenken? Josef Wißkirchen, Historiker aus dem Nachbarort Stommeln und ehemaliger Lehrer am Erasmus-Gymnasium in Grevenbroich, hat sie jetzt am Ende eines Vortrags zur Pogromnacht 1938 gestellt. Aufgeworfen hatte sie eine Zeitzeugin: Marlene Straus (83) ist die letzte noch lebende Jüdin aus Rommerskirchen. Sie lebt in den USA und steht in Kontakt mit Josef Wißkirchen.

Der verlas jetzt im Ratssaal ein Schreiben, in dem Marlene Straus die Verlegung von "Stolpersteinen" an den Häusern befürwortet, in denen einst Juden lebten. Mit ihrer Forderung nach einem würdigen Gedenken lief sie bei den im vollen Ratssaal Anwesenden offene Türen ein, wenngleich auch andere Möglichkeiten, wie etwa Gedenktafeln ins Gespräch gebracht wurden. Für Bürgermeister Martin Mertens gibt es keine akute Notwendigkeit, jetzt schon eine Entscheidung über die konkrete Form des Gedenkens zu treffen. Gleichwohl kündigte er an, dass "in dieser Hinsicht etwas unternommen werden wird." Auf Hindernisse verwies der frühere Bürgermeister und Gemeindedirektor Peter Emunds.

Er hatte 2008 an einer von Matthias Kratz initiierten Verlegung von neun "Stolpersteinen" des Kölner Künstlers Günter Demnig in Nettesheim mitgewirkt. Dabei mussten beide die Feststellung machen, dass dies nicht immer erwünscht ist. "Es ist auf jeden Fall unbedingt notwendig, die heutigen Eigentümer zu fragen und ihre Meinung zu dem Thema zu hören", sagte Emunds. Wichtig ist, dass das Thema mit dem Vortrag von Josef Wißkirchen die Diskussion neu angeregt hat. Marlene Straus (geborene Roesberg) hatte bei ihrem Vorschlag konkret die Familien Capell und Roesberg im Auge, die an der Giller Straße 4 und 14 wohnten.

Die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war für die meisten hier lebenden Juden Anlass, die Gemeinde zu verlassen und in der Anonymität der Großstadt (zumeist Köln) Zuflucht zu suchen. Marlene Straus' Vater Otto Roesberg hielt sich in dieser Nacht nicht in Rommerskirchen auf und mied den Ort auch danach, weil er per Haftbefehl gesucht wurde. Ihm gelang die Flucht in die USA. Zu denjenigen, die sich nicht vertreiben lassen wollten, gehörten die Brüder Max und Leo Capell, die am Marktplatz wohnten.

Das Haus wurde genau ein Jahr nach der Pogromnacht erneut von örtlichen Nazis heimgesucht: Ungeachtet der Misshandlungen blieb Capell bis 1941 als letzter Rommerskirchener Jude dort wohnen. Er verstarb im August 1943 in Köln. Josef Wißkirchen, der 2012 ein Buch über den früher in Eckum lebenden Rudy Herz veröffentlicht hatte, plant ein weiteres Buch, mit dem er unter anderem auch an die genannten Familien Capell und Roesberg erinnern will.

(S.M.)
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