Interview Nicole Musiol Flüchtlingsarbeit betrifft auch Rollenbilder

Dormagen · Die Migration stellt die Rommerskirchener Gleichstellungsbeauftragte vor neue Herausforderungen.

Frau Musiol, Sie haben an der Bundeskonferenz der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Wolfsburg teilgenommen. Mit welchen Eindrücken sind Sie zurückgekehrt?

Nicole Musiol Ich bin gestärkt, informiert und positiv gestimmt aus Wolfsburg zurückgekehrt. Die Bundeskonferenz ist immer eine hervorragende Möglichkeit, sich mit anderen Kolleginnen außerhalb des Rhein-Kreises und Nordrhein-Westfalens zu treffen und kritisch über Probleme und Lösungsansätze zu sprechen. Best-Practice-Beispiele werden aufgegriffen und auf die eigenen Kommune übertragen. Es ist schade, dass man nicht an allen Foren teilnehmen kann, alle sind sehr interessant und informativ.

Hat sich Ihre Arbeit durch Zuzug von Flüchtlingen mit teils anderem Rollenverständnis verändert? Welche neuen Herausforderungen gibt es?

Musiol Viele der Zuwanderer und Flüchtlinge haben ein ganz anderes Welt- und Frauenbild. Wir werden -nicht nur in Rommerskirchen - durch den Flüchtlingsstrom wieder vermännlichte Situationen und Strukturen haben. Die zugewanderten und geflüchteten Frauen zu erreichen, ist teilweise sehr schwierig, u.a. auch durch bestehende Sprachbarrieren. Wir müssen den Familien und auch Alleinreisenden erklären und eindringlich darstellen, dass Frauen und Männer in Deutschland gleichberechtigt sind, dass Frauen nicht geschlagen werden dürfen, dass sie ein freies und selbstbestimmtes Leben führen dürfen.

In Wolfsburg haben Sie u.a. an einem Forum mit dem Titel "Geschlechtergerechtigkeit im ländlichen Raum" teilgenommen. Was nehmen Sie aus dieser Veranstaltung für Rommerskirchen mit?

Musiol Oftmals gibt es - ähnlich wie in Rommerskirchen - nicht sehr viele Kooperationspartner, die mit der Gleichstellungsbeauftragten Projekte planen, durchführen oder Unterstützung und Multiplikation leisten können. Die Gleichstellungsbeauftragte im ländlichen Bereich ist oft "Einzelkämpferin" und muss sich förmlich zerreißen, um in der meist geringen Arbeitszeit alle Aufgaben und Termine erfüllen zu können. Es gilt, individuell eine Priorisierung vorzunehmen, wobei dies bei den vielfältigen Aufgabenbereichen nicht immer leicht ist.

In einem anderen Forum ging es um Indikatoren für gute Gleichstellungsarbeit. Welche Hinweise haben Sie dort für Rommerskirchen bekommen?

MusioL Die Erfolge kommunaler Gleichstellungsarbeit sind nicht immer direkt greifbar. Die Wirkung erfolgreicher Gleichstellungsarbeit lässt sich jedoch mittel- bis langfristig messen. Indikatoren sind Anzeiger, die komplexe Sachverhalte verständlich greif- und messbar machen.

Was heißt das konkret?

Musiol Es sind Marker, mit denen festgestellt werden kann, ob Handlungsbedarf besteht, wo Mängel zu finden oder Aufgaben zu erfüllen sind. Indikatoren können als Maßstab und als Orientierung dienen und ermöglichen einen Überblick über bestehende Aufgaben und Maßnahmen - somit können Schlüsse für weitere Vorgehensweisen gezogen werden.

Worüber wurde im Detail gesprochen?

MusiOL Zum Beispiel über Abbau von Geschlechterstereotypen, Arbeit und Berufswahl, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, politische Partizipation, Migration und Integration, Gesundheit, Sicherheit und Gewalt sowie Kultur, Sport und Freizeit. Nach und nach werde ich mich den Themengebieten - bezogen auf Rommerskirchen - annehmen, den Status Quo anhand der Indikatoren feststellen und geeignete Maßnahmen ergreifen.

Es gibt nur weibliche Gleichstellungsbeauftragte, in Wolfsburg waren 400 dabei. Warum ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass Männer dieses Amt nicht wahrnehmen können?

Musiol Zum einen ist es im Gesetz verankert. Desweiteren sind Männer nicht interessiert, benachteiligende Strukturen gegenüber Frauen zu ändern. Es sind immer noch sehr viel mehr Frauen als Männer in den unterschiedlichsten Lebenssituationen benachteiligt und nicht gleichberechtigt. Daher halte ich Männer als Gleichstellungsbeauftragte nicht für fortschrittlich und zielführend.

STEFAN SCHNEIDER FÜHRTE DAS INTERVIEW MIT DER GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTEN.

(NGZ)
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