Rommerskirchen Forscher frieren Hühner-Erbgut ein

Rommerskirchen · Bei einem von der Bundesregierung geförderten Projekt wird am Wissenschaftlichen Geflügelhof Hahnensperma tiefgefroren. Bedrohte Hühnerrassen sollen vorm Aussterben gerettet werden. Es ist der erste Versuch in Deutschland.

Rommerskirchen: Forscher frieren Hühner-Erbgut ein
Foto: Hans Jazyk

Mehr als 200 Hühnerrassen gibt es, um ein Dutzend vom Aussterben bedrohter Rassen kümmert sich jetzt der Wissenschaftliche Geflügelhof in einem soeben gestarteten Modellprojekt. Sie tragen Namen wie Westfälische Totleger, Bergische Schlotterkämme oder Ostfriesische Möwen, wobei ihnen allen gemeinsam ist, dass es sie bald nicht mehr geben könnte — wenn nicht der Mensch nachhilft. Dies soll durch das Projekt "Kryoreserve beim Huhn" geschehen. Dies ist das erste seiner Art überhaupt, wie Mareike Fellmin sagt. Die promovierte Biologin ist stellvertretende Leiterin des Geflügelhofs und hat die Federführung für das auf drei Jahre angelegte Experiment.

"Kryoreserve" bedeutet die Tiefgefrierung von Hahnensperma in flüssigem Stickstoff und soll die Gefahr des Aussterbens seltener Rassen bannen. "Bei Rindern und Schweinen ist das eigentlich gang und gäbe", sagt Mareike Fellmin. Dass es im konkreten Fall ausschließlich um Hahnensperma geht, ist leicht erklärbar — Hühnereier tiefzufrieren ist nicht möglich, da sie schnell platzen würden.

Nicht umsonst arbeitet der wissenschaftliche Geflügelhof seit seiner Gründung vor fast einem Jahrzehnt eng mit dem Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter zusammen. "Der weitaus größte Teil der Biodiversität (genetische Vielfalt) des Haushuhns ist in der Obhut von Hobbyzüchtern. Neben der geringen Populationsgröße ist die Existenz dieser Bestände durch die Aufgabe von Zuchten gefährdet", erklärt Inga Tiemann, Leiterin des Wissenschaftlichen Geflügelhofs. Die Vereine liefern die Bruteier, aber auch die beteiligten Hähne. Von denen ist keineswegs jeder geeignet, mitzumachen: "Die Hähne sollen möglichst dem Idealbild ihrer Rasse entsprechen", sagt Mareike Fellmin. "Möglichst viele unverwandte Tiere sollen von möglichst vielen Züchtern verwendet werden, damit eine möglichst große genetische Vielfalt erreicht wird", sagt die Expertin.

Gestartet ist das Projekt jetzt mit Ostfriesischen Möwen und Krüpern, weitere Rassen kommen in den folgenden Jahren hinzu. Insgesamt werden von zwölf Rassen mindestens 150 Bruteier benötigt. Bebrütung, Kükenaufzucht und Tierauswahl finden im Wissenschaftlichen Geflügelhof statt. Dabei soll pro Rasse eine Zielgröße von je 25 möglichst unverwandten Hähnen und Schwesternhennen erreicht werden. Die geschlechtsreifen Hähne werden für acht Wochen im Institut für Nutztiergenetik aufgestallt. Das während dieser Zeit gewonnene Sperma wird direkt eingefroren. Die Hähne werden anschließend nach Sinsteden zurückgebracht.

Die ursprüngliche Zahl von 450 Eiern hat sich bei den Ostfriesischen Möwen auf 350 reduziert, aus denen potenziell Küken schlüpfen können. Die Hennen bleiben zwecks einer Leistungsprüfung während der ersten Legeperiode in Sinsteden. Die gewonnenen Spermaproben werden bei der Deutschen Genbank für landwirtschaftliche Nutztiere eingelagert. "Hier sind Kühlreserven nicht möglich", sagt Mareike Fellmin. Zu den Unterstützern des Projekts gehört neben dem Institut für Nutztiergenetik des Friedrich Loeffler-Instituts und der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen auch die Bundesregierung: Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz steuert 480 000 Euro zu dem Vorhaben bei.

(NGZ/rl)
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