Rommerskirchen Schwieriges Coming-out auf dem Dorf

Rommerskirchen · Christian Herrmanns hat eine schwere Zeit erlebt, bevor er zu seiner Homosexualität stehen konnte. Heute ist der angehende Altenpfleger immer wieder auch als Freizeit-Model und Drag Queen unterwegs.

Tagsüber Altenpfleger, nachts Drag Queen
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Keine Frage, Christian Herrmanns ist ein außergewöhnlicher junger Mann. "Ich bin der Paradiesvogel in unserer Familie", sagt der 25-Jährige von sich selbst. Christian, der von seinen Freunden nur Jimmy genannt wird, ist vieles zugleich, aber auf keine Fall durchschnittlich: Er ist angehender Altenpfleger, Freizeit-Model, Drag Queen und schwul - und außerdem will er bald ehrenamtlich bei der Sterbebegleitung helfen.

Schon rein optisch fällt Christian auf, denn Hals, Brust, rechter Arm und Hände sind großflächig mit verschiedenen Motiven tätowiert. Die Arbeit an seinem Körper ist noch lange nicht abgeschlossen. "Auf den linken Arm kommt noch eine Elfe", kündigt er an. Für Tattoos begeistert sich Christian seit Jahren. Und sie haben ihm schon zu Probeaufnahmen für ein Modelabel verholfen. "Ein Berufsfotograf hatte meine Tattoos im Internet gesehen und mich zu einem Probeshooting eingeladen", erzählt Christian. Erst sei er zögerlich gewesen, doch dann habe er sich darauf eingelassen. "Das fotografiert werden hat mir viel Spaß gemacht", sagt er. Er hätte einen hohen Wiedererkennungswert, habe ihm der Fotograf bescheinigt. Trotzdem weiß Christian noch nicht, ob er in diese Richtung weitergehen will: "Die Ausbildung geht vor."

Christian lässt sich im Seniorenzentrum der Caritas am Christinapark in Pulheim-Stommeln zum Pflegehelfer schulen: "Ich freue mich, wenn ich Menschen helfen kann. Außerdem werden ja dringend Fachkräfte in der Pflege gesucht." Für die Ausbildung allerdings ist dies schon sein dritter Anlauf. Beim ersten Mal gab es Probleme zwischen Pflegebetrieb und Berufsschule. "Beim zweiten Mal hatte der Ausbilder wohl ein Problem mit meinem Schwulsein", ist Christian überzeugt. Nur einen Tag vor Ende der Probezeit sei er entlassen worden.

Dass er schwul ist, wusste Christian schon mit 14. Mit 18 hatte er sein Coming-out. Erst gegenüber seinem Großvater. Als dieser starb vertraute er sich seinen Eltern und seinen sechs Geschwistern an. Sie haben alle toll reagiert. Seine Mitschüler waren allerdings weniger entspannt. "Ich wurde gemobbt", berichtet Christian. Bei verbalen Attacken blieb es nicht, physische kamen hinzu. Das blieb nicht ohne Folgen für seine Psyche. Erst eine Therapie verlieh ihm schließlich die Kraft, zu sich selbst zu stehen und sich nicht mehr dafür zu schämen, wer er ist. Heute hilft er anderen Jugendlichen bei ihrem Coming-out, berät sie und spricht auf Wunsch der Betroffenen auch mit den Eltern. Auf Facebook ist er als "Christian Jimmy Herrmanns" zu finden. "Viele schwule Jugendliche nehmen sich das Leben, das darf doch im Jahr 2017 nicht mehr sein", begründet er sein Engagement.

"Mein Outing war natürlich ein großes Thema im Dorf", erinnert sich Christian, der schon sein ganzes Leben lang in Rommerskirchen lebt und mit seiner Familie zusammen im Ort weithin bekannt ist. Während andere in die Anonymität der Großstadt flüchten, bleibt er seiner Heimat treu, stellt sich "manch blödem Spruch, den ich heute noch zu hören kriege". Umso trotziger ist seine Verwandlung in eine Drag Queen, an der er seit etwa einem halben Jahr immer wieder Gefallen findet. Dick geschminkt und in Frauenkleidern stand er auch schon mehrfach moderierend auf der Bühne. "Ich liebe es, gute Laune zu verbreiten und mich in eine komplett andere Person zu verwandeln. Und die Aufmerksamkeit, die man bekommt, ist der Wahnsinn!" Karneval hat er schon im Fummel gefeiert, demnächst will er so auch beim Schützenfest dabei sein.

(NGZ)
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