Solingen Abenteuerlicher Hilfseinsatz in Nordsyrien

Solingen · Gabi Gärtner, Thomas Fechtner und Sven Kavcic reisten im Juli 2015 nach Kobane, um beim Bau eines Gesundheitszentrums zu helfen. Davon berichtete in der Cobra ein Dokumentarfilm.

Die Stadt Kobane in Nordsyrien machte um den Jahreswechsel 2014/15 Schlagzeilen: Den belagerten Kurden gelang es nach mehreren Monaten, den Angriff der Terrormiliz IS zurückzuschlagen. Die Stadt aber war weitgehend zerstört. Die Solinger Ratsfrau Gabi Gärtner (Solingen Aktiv), Thomas Fechtner und Sven Kavcic machten sich im Juli 2015 auf nach Kobane, um beim Wiederaufbau anzupacken und halfen beim Bau eines Gesundheitszentrums. Der Film "Den Sieg sichern" dokumentiert diesen Arbeitseinsatz. Er lief am Mittwochabend vor 70 Zuschauern in der Cobra.

Von Juni bis November 2015 arbeiteten nacheinander sieben "Brigaden" aus insgesamt 177 Freiwilligen für je vier Wochen in Kobane am Bau des Gesundheitszentrums. Die freiwilligen Arbeitskräfte hatten sich auf Initiative der ICOR zusammengefunden, der "Internationalen Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen". In dem neu errichteten Gebäude können nun Ärzte Patienten behandeln und auch kleine Operationen durchführen. "Die Idee war, nicht nur Solidaritätserklärungen abzugeben, sondern die Menschen praktisch zu unterstützen", erklärt Gabi Gärtner. Sie sieht in der Arbeit in Kobane einen Beitrag zur Bekämpfung der Fluchtursachen und ein Signal an die Bevölkerung, zurückkehren zu können.

Das Solinger Trio machte sich im Juli 2015 auf ins nordsyrische Grenzgebiet, wo die Kurden seit Ende 2013 unter dem Namen "Rojava" eine Selbstverwaltung aufgebaut haben. Die Reise gestaltete sich abenteuerlich: Die geschlossene Grenze von der Türkei nach Syrien war für die Solinger nur bei Nacht und auf Umwegen zu passieren. Da die Türkei den Lkw mit dem Werkzeug nicht passieren ließ, transportierten es die Freiwilligen in ihrem Gepäck. "80 Prozent der Stadt waren zerstört, es stand kein Stein mehr auf dem anderen", schildert Thomas Fechtner seine Eindrücke. "Es war so beeindruckend, wie lebensfroh die Leute trotzdem sind", sagt Gabi Gärtner. Denn, so betont Sven Kavcic: "Es gab kaum jemanden, der nicht ein Familienmitglied verloren hat." Bewaffnete Wachen sicherten die Bauarbeiten, denn erst kurz zuvor hatte der IS in Kobane ein Massaker angerichtet.

Auf der Baustelle arbeiteten Ehrenamtliche aus elf Nationen Seite an Seite mit den Einheimischen. Fechtner und Kavcic waren als Elektriker und Werkzeugmechaniker die Hausmeister der "Brigade", Gabi Gärtner leitete die Gruppe zusammen mit anderen. "Es hat den Leuten Mut gemacht, dass wir da waren und geholfen haben", sagt Thomas Fechtner. "Es kamen immer mehr Leute, die geschippt haben, von Kindern bis zu alten Menschen."

Das Bauprojekt benötigte 1,5 Millionen Euro an Geld-, Sach- und Arbeitsspenden. 700.000 Euro steuerten die Ehrenamtlichen durch ihre Arbeit bei, hinzu kamen 150.000 Euro Geldspenden und acht Tonnen Werkzeug. Dennoch herrschte auf der Baustelle häufig Mangel an Werkzeug und Material, was Improvisationstalent erforderte. Der Gruppe mit den Solinger Freiwilligen gelang es trotz der Widrigkeiten, ihr Etappenziel zu erreichen und die Bodenplatte des Gebäudes fertigzustellen. Ende November 2015 konnte das Gesundheitszentrum an die örtliche Verwaltung übergeben werden.

(RP)
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