Solingen Armut im Alter bleibt unsichtbar

Solingen · Auf dem Papier geht es den Senioren in Solingen gar nicht schlecht. Dabei ist die Armut meist nur versteckt.

 Wie vielen alten Menschen in Solingen geht es finanziell schlecht? Das ist nicht einfach zu sagen. Armut im Alter ist oft unsichtbar. (Symbolbild)

Wie vielen alten Menschen in Solingen geht es finanziell schlecht? Das ist nicht einfach zu sagen. Armut im Alter ist oft unsichtbar. (Symbolbild)

Foto: dpa, jbu lre cul

Die Rente reicht so gerade eben für die Miete und das Essen, für die Weihnachtsgeschenke müssen sie das ganze Jahr sparen und an Urlaub ist gar nicht zu denken - im Alter müssen viele Menschen jeden Cent zusammenkratzen. Auf dem Papier sieht die Situation aber anders aus. Die Zahlen sagen: So schlecht geht es den Senioren in Deutschland und auch in Solingen nicht.

Rund 44.000 Solinger sind älter als 60. Wie viele von ihnen heute als arm gelten, weiß man nicht. Der letzte Armutsbericht der Stadt stammt aus dem Jahr 2006, sagt Jürgen Albermann, Leiter des Sozialamts. Der Bericht zeigt: Vor zehn Jahren waren in Solingen rund 2000 Menschen über 65 von Armut gefährdet. Das sei, so sagt Albermann, kein schlechtes Ergebnis. "Die Rentner bekommen im Durchschnitt nicht wenig Geld. Beim Rentenzahlbestand lagen wir im Mittelfeld der NRW-Städte." Das bedeutet konkret: Die durchschnittliche Rente in Solingen lag vor zehn Jahren bei knapp 875 Euro.

Das ist nun aber schon zehn Jahre her. Seitdem hat sich einiges verändert. Deshalb sollen auch neuere Berichte bald für Solingen runtergebrochen werden. Jürgen Albermann geht davon aus, dass die aktuellen Zahlen ein anderes Bild zeigen werden. "Es gibt immer mehr Senioren in der Stadt und immer mehr Menschen kommen in die Lage, dass sie nicht genug Geld zur Verfügung haben. Die Anzahl derjenigen, die zusätzlich zur Rente eine Grundsicherung beziehen, ist mit Sicherheit gestiegen." Dennoch sei die Situation noch verhältnismäßig harmlos. "Die Armut ist momentan noch nicht so bedrohlich, wie oft vermittelt wird. Die große Welle wird noch kommen."

Das erlebt auch Herbert Gerbig bei seiner Arbeit. Der Vorsitzende des Seniorenbeirats meint, die wirkliche Altersarmut stünde noch bevor. Wen das betreffen kann, sei ganz unterschiedlich. "Die Gründe sind vielfältig und das Klientel ganz unterschiedlich", sagt Gerbig. Vor allem Selbstständige bekämen oft Probleme mit der Rente. "Viele Senioren haben vor 30, 40 Jahren selbstständig viel Geld verdient, aber nicht in die Rentenkasse eingezahlt." Hungern müsse theoretisch trotzdem niemand, meint Herbert Gerbig. Schließlich können Rentner die Grundsicherung beantragen. Das sei, da sind sich Gerbig und Albermann einig, aber nicht immer die Realität. Gerade die versteckte Armut der bescheidenen Generation sei groß. "Viele Menschen schämen sich, zur Wohlfahrt zu gehen und Geld vom Staat zu bekommen", sagt Jürgen Albermann. "Wir versuchen, den Senioren immer zu zeigen, dass sie nicht auf die Knie fallen müssen, um Geld zu bekommen. Es ist ihr gutes Recht." Deshalb spürt das Team um Jürgen Albermann auch die Leute auf, die sich nicht direkt an das Amt wenden. "Man muss sich nur mal auf der Straße umgucken, da gibt es ganz viele alte Leute, die Hilfe brauchen", sagt der Amtsleiter. "Wenn man die Menschen dann fragt, ob sie in den letzten drei Tagen schon etwas gegessen haben, bekommt man oft ein ,nicht so richtig' zurück."

Aber Geld sei nicht das einzige Problem. "Wir messen Armut immer am Einkommen und an der Grundsicherung", sagt Jürgen Albermann. "Dabei gibt es auch eine seelische Armut." Insbesondere ältere Menschen, die nicht mehr am sozialen Leben teilhaben, versinken oft in Einsamkeit.

Und so zeigen die Zahlen nicht immer ein klares Bild von dem, wie es den Senioren wirklich geht. "Die Armut im Alter gibt es auf jeden Fall, aber sie bleibt oft unbemerkt", sagt Albermann. "Nach meinem Gefühl ist das Problem der Kinder- und Jugendarmut aber noch bedrohlicher." Aber das sei ein ganz anderes Thema.

(veke)
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