Analyse Bahn gehorcht aufgezwungener Logik

Meinung | Solingen · Dass der Konzern das Reisezentrum aufgibt, ist kein Wunder, sondern die Folge einer Politik, die auf die Teilprivatisierung der Schiene setzt.

Die Erleichterung war den Verantwortlichen bei der Stadt förmlich anzumerken. Zwar wird die Bahn das Reisezentrum am Solinger Hauptbahnhof in Ohligs Ende Mai aufgeben. Doch für Ersatz soll gesorgt werden. Der Konzern verhandelt zurzeit nämlich mit mehreren Bewerbern, die den Infopunkt weiterbetreiben wollen.

Es soll einen nahtlosen Übergang zu einer Agentur geben. Also Ende gut, alles gut? Nicht ganz, denn zunächst einmal bleibt abzuwarten, ob die Pläne wirklich aufgehen. Und dann stellt sich ja auch noch die Frage, inwieweit die neuen Hausherren im Reisezentrum einen Service bieten, der dem bisherigen gleichkommt.

Womit wir den Kern des Problems erreichen. Auch über zwei Jahrzehnte nach dem Beginn der letztlich nicht zu Ende geführten Privatisierung der alten Bundesbahn ist auf der Schiene kein System gefunden worden, das zu einem gedeihlichen Nebeneinander von privaten Anbietern sowie dem Staatsunternehmen Bahn AG führt. Die Privatisierung blieb irgendwann auf der Strecke, nur Teile des durchaus ehrgeizigen Vorhabens wurden umgesetzt.

Wie etwa das Regionalisierungsgesetz aus der Mitte der 90er Jahre, das seit einigen Jahren vorschreibt, den regionalen Personenverkehr auszuschreiben. Wobei es seit einiger Zeit auch in hiesigen Gefilden ernst wird: So übernahm Abellio im Jahr 2013 die S 7, National Express einige Jahre später die RB 48 sowie den RE 7. Und im kommenden Jahr 2019 wechselt die S 1 vom bisherigen Betreiber Bahn AG zu Eurobahn.

Dies dürfte Befürworter der Bahnprivatisierung freuen, hat aber zur Folge, dass die Bahn in einer Großstadt wie Solingen fortan nur noch für den Fernverkehr zuständig ist. Was wiederum bedeutet, dass der erst vor kurzem aus der Verlustzone herausgefahrene Konzern - auch wegen an den Bund zu zahlenden Dividenden in dreistelliger Millionenhöhe - spart, wo es eben nur geht.

Ein Verhalten, das man bedauern, der Bahn aber nicht zum Vorwurf machen kann. Denn bei Lichte betrachtet verhält sich das Unternehmen lediglich jener Logik gehorchend, die ihm verordnet wurde. Wozu in Solingen noch ein Reisezentrum vorhalten, wenn man selbst fast gar nicht mehr vor Ort ist - und parallel vom Auftrageber Verkehrsverbund Rhein-Ruhr dazu auch nicht vertraglich verpflichtet wurde?

Die Parteien in Solingen, die sich im vergangenen Jahr für den Erhalt des Centers stark machten, wussten das natürlich ganz genau. Schließlich waren es ja sie selbst, die auf Bundesebene einst die heute gültigen Bedingungen schufen und bis heute teilweise daran festhalten. Nur zur Erinnerung: Wer in den zurückliegenden Jahrzehnten Kritik an einer solcher Politik übte, galt als gestrig oder wie man heute sagen würde: irgendwie voll 80er Jahre. Allein, alles war damals nicht schlecht. Diskussionen um die Schließung von Reisezentren gab es jedenfalls nicht.

Eine Diskussion, die im Übrigen mit der jetzt gefundenen Lösung nicht aufhören muss. Denn wie gesagt: Es bleibt abzuwarten, wie der Service der neuen Agentur wird. Gibt es Informationen dort zukünftig umsonst? Und nicht zu vergessen: Wie werden die Mitarbeiter bezahlt?

(or)
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