Solingen Baulöwe Kissel ist tot

Solingen · Der öffentlich umstrittene Solinger Bauunternehmer starb am Wochenende mit 94.

Günther Kissel war ein Mann mit vielen Facetten: Ein erfolgreicher Unternehmer. Ein Mann, der sein Herz für Senioren entdeckte, als er selbst noch keiner war. Ein Firmenchef, den die Mitarbeiter und die Konkurrenz achteten. Ein Solinger, der — um Spenden angefragt — nicht auf den Euro schaute. Aber er war auch ein Mann, der geprägt wurde durch die Zeit, in die er hineingeboren wurde und von der zeitlebens nicht lassen wollte.

Am 2. Weihnachtstag 1917 kam Günther Kissel in Solingen zur Welt. 1933 begann er im elterlichen Betrieb eine Maurerlehre. 21 war er, als der Zweite Weltkrieg begann, in dem auch er als Soldat kämpfte. Diese Zeit prägte ihn so, dass er bis zu seinem Tod von seinem rechten Gedankengut nicht ablassen wollte. 2003 besuchte unter anderem Neonazi Horst Mahler ihn zu Hause. Und noch 2007 wurde Kissel Mitglied der rechtspopulistischen Pro NRW. Derweil baute seine Firma zeitgleich die zweitgrößte Moschee Deutschlands in Duisburg-Marxloh.

Zu Hause gestorben

Am vergangenen Wochenende starb der 94-Jährige so, wie er es sich immer gewünscht hatte: zu Hause in den eigenen vier Wänden und bis auf die letzten Tage völlig klar im Kopf. Ebenfalls bis zuletzt ging er noch vor die Tür. Günther Kissel soll in den nächsten Tagen in Solingen beerdigt werden.

Auch bei den Menschen in dieser Stadt ist je nach Sichtweise etwas anderes von dem Solinger "Baulöwen" hängengeblieben. Die einen erinnern sich an Günther Kissel, der auch noch im Alter von 93 keine Seniorenfeier oder 90. Geburtstag verpasste. Der bereits in den 1970er Jahren Seniorenwohnungen in Solingen baute, als noch niemand im Blick hatte, dass Menschen auch im Alter lebenswert wohnen möchten. Oder als großzügiger Gönner, der unter anderem der Dorper Kirche eine nicht unerhebliche Summe für den Erhalt des Gotteshauses überwiesen hatte. So gesehen also ein Mensch, bei dessen Feier zum 90. Geburtstag im Januar 2007 alles hätte anwesend sein müssen, was in dieser Stadt Rang und Namen hatte, wäre da nicht die andere Facette des vom Landgericht verurteilten "Auschwitzleugners" gewesen.

Doch auch so folgten die Honoratioren der Stadt — darunter Oberbürgermeister Franz Haug, sein Amtsvorgänger Ulrich Uibel und der CDU-Landtagsabgeordnete Horst Westkämper — der Einladung, wenn sich auch nicht eben wenige anschließend schämten oder von Kissel distanzierten. Denn im Vorgriff auf seinen letzten runden Geburtstag hatte Kissel der Einladung eine Rede beigelegte. Jeder habe die Möglichkeit, hatte er in seiner Einladung geschrieben, "vorab persönlich zu entscheiden, ob er meine Einladung trotz dieser nicht gehaltenen Rede annimmt." Darin sagte er unter anderem in einem Satz über die Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes: "Die meisten Deutschen waren damals von der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen überzeugt." Kissel selbst hat dies bis zuletzt geglaubt.

(RP)
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