Solingen Beim Sience Slam werden Wissenschaftler zu Kabarettisten

Solingen · Was passiert, wenn man einen Physiker, einen Paläontologen, einen Historiker, einen Biologen und einen Wirtschaftswissenschaftler in einen Raum sperrt? - Nein! Das ist nicht der Anfang eines mäßigen Witzes, sondern eine der muntersten Veranstaltungen im Theater und Konzerthaus in der bald zu Ende gehenden Saison. "Wir wollen vermitteln, dass Wissenschaft keine langweilige Angelegenheit für Leute mit Schnauzbart und Pullunder ist, sondern dass es da richtig smarte Jungs gibt", stellt Patrycja Muc fest. Die Bonner Technik-Journalistin moderiert den mit 180 Besuchern restlos ausverkauften Donnerstagabend im Kleinen Konzertsaal.

Was so magnetisch anzieht, ist der 1. Solinger Science Slam. - Science Slam? Das ist wie Poetry Slam. Nur das sich keine Dichter, sondern Wissenschaftler dem Urteil des Publikums stellen. Fünf kabarettistisch verseuchte Doktoren und Doktoranden treten an, um ihr Arbeitsfeld zu präsentieren - aber so, dass sich mancher vor Lachen auf dem Stuhl krümmt. Wenn etwa Reinhard Remfort, Physiker an der Uni Duisburg-Essen, erläutert, was Quantenphysik mit Biersaufen zu tun hat. Hauptberuflich beschießt er Diamantmoleküle mit einem Laser, um selbige "anzuregen". "Ich weiß, sie werden aufstöhnen, aber das geht nicht ohne einen Crash-Kurs in Quantentheorie." Etwa Werner Heisenbergs Unschärfen: "Man kann zwei Dinge nie gleichzeitig genau messen: Etwa wo etwas ist? Und wie schnell etwas ist?" Das kann man dann den Polizisten am Blitzer erklären. "Entweder man ist 120 gefahren, dann kann man nicht in der 30-Zone gewesen sein. Oder man war in der 30-Zone und kann drum nicht 120 gefahren sein." Aber beides geht dennoch gleichzeitig. Überlagerungen nennt man das. Etwa so: "Man kann sich in einen anregenden Zustand nach oben saufen und in einen nach unten kiffen." Dann hat man den gesuchten Sensor, der am kommenden Morgen verstärkt geräuschempfindlich ist.

In die Welt der Dinosaurier entführt Kai Jäger. Der Paläontologe kommt ebenfalls aus Bonn. Am Anfang die Frage: "Was ist ein Fossil?" Auf der Leinwand erscheint das Logo der FDP. "Über den Witz lachen alle - bis auf vier Prozent." Fossilien sind natürlich versteinerte Knochen. Bernstein enthält übrigens nicht nur eingeschlossene Fossilien, er ist selber eines - versteinertes Baumharz. Jäger verrät den Trick, wie man echten von falschem Bernstein unterscheiden kann. "Sie nehmen ein Vergrößerungsglas, halten es an den Bernstein - und sehen sich dabei den Verkäufer an. Wenn er anfängt zu schwitzen..." Jäger, der bereits 2014 Deutscher Meister im Science Slam wurde, wird auch von den Solingern zum Sieger gekürt.

"Es ist ein Wettbewerb auf sehr hohem Niveau", sagt Patrycja Muc. Denn auch die anderen Teilnehmer haben es in sich. Christian Krumm, Historiker aus Essen, geht der Frage nach, ob wir heute schlauer sind als früher - und ob Hitler von Ufos gerettet wurde, oder doch bis 1964 als Schichtleiter bei VW in Argentinien arbeitete: Den Kern in Verschwörungstheorien zu suchen, ist Historikerhandwerk - auch wenn es keinen Kern geben sollte. Mit einem scheinbar drögen Thema glänzt der Düsseldorfer Mehrfachwissenschaftler Kai Kühne: "Gibt es politische Tendenzen in der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit?" Alleine schon Kühnes pointierte Karikaturen sind das pure Vergnügen, wenn er das Rechtssystem erklärt und wer sich da so alles tummelt. Ebenfalls aus Düsseldorf kommt der Biologe Thomas Wrobel, der am Ende eines an Gags reichen Vortrags erklärt, wie man Hanfpflanzen schneller wachsen lassen kann. "Ich nenne mich immer Pflanzenforscher", so der junge Wissenschaftler. "Ältere halten mich dann für einen Gärtner. Jüngere sagen, ich solle ihnen doch was mitbringen."

(RP)
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