Solingen Das eigene Haus wird zur Fundgrube für Archäologen

Solingen · Die Eheleute Benedikt Wiemer und Sarah Wiemer-Mattheus renovieren derzeit ein altes Fachwerkhaus an der Haasenmühle - und stießen dabei bereits auf Spuren früherer Jahrhunderte.

Eine Wendeltreppe führt durch das entkernte Gebäude bis auf den hellen Dachboden: Hier sind alte und neue Bauteile miteinander verbunden. "Wir wollten Bestehendes nicht zerstören, sondern bestärken", lautete die Devise, wie Sarah Wiemer-Mattheus erklärt. Seit rund zwei Jahren renoviert die 32-jährige Produktdesignerin das denkmalgeschützte Fachwerkhaus in der Hofschaft unweit der Wupper mit ihrem Ehemann Benedikt Wiemer (35). Dessen Familie ist seit dem 18. Jahrhundert als Besitzer des Gebäudes im Grundbuch eingetragen.

Die Geschichte des Hauses reicht jedoch deutlich weiter zurück: "Im Jahr 1405 erteilte der Graf von Berg die Genehmigung zum Bau einer Mühle und Fischereirechte", erzählt Sarah Wiemer-Mattheus und verweist auf zahlreiche Belege und Urkunden. Damit sei das Bauwerk rund 30 Jahre älter als die heutige Gaststätte Haasenmühle.

Nach dem Tod von Benedikt Wiemers Tante, der letzten Bewohnerin, hatte das Gebäude eine Zeitlang leer gestanden. Der Startschuss für die Komplettsanierung fiel, als ein Hochwasser Teile des Hauses geflutet hatte. "Danach haben wir die ersten Maßnahmen ergriffen", sagt Wiemer-Mattheus.

Bei den Arbeiten, die von einem Statiker begleitet und eng mit der Denkmalpflege abgestimmt waren, stieß das Ehepaar auf "Bausünden" früherer Generationen: Die hatten im Laufe der Zeit teilweise neun Fußböden übereinandergelegt, Schwachstellen mit Beton abgedichtet und damit das Gebälk förmlich zum Biegen gebracht. "Wir haben aus einem Zimmer acht Tonnen Schutt entfernt", erzählt Wiemer-Mattheus.

Doch das Fachwerkhaus hielt noch mehr Überraschungen bereit: So legte das Ehepaar einen Steinfußboden aus dem Jahr 1605 frei, der an die zeitweilige Verwendung des Gebäudes als Brauhaus und Schnapsbrennerei erinnerte: Darauf fanden sich Tonscherben, Besteck und sogar Knochen von Haxen. "Die müssen damals ordentlich gefeiert haben", ist sich Sarah Wiemer-Mattheus sicher. Außerdem entdeckten die Eheleute eine Münze aus dem Jahr 1792 und sogar Gewehrkugeln aus dem Dreißigjährigen Krieg, die ein Soldat in einer Zwischenwand deponiert hatte. "Interessant ist, dass die alten Materialien wie Lehm für das Gebäude viel besser geeignet waren als neuere wie Beton", sagt die Designerin, die sich bei der Renovierung auch Kenntnisse aus einigen Uni-Semestern Architektur zunutze machte. Viele Arbeiten hat das Ehepaar bis jetzt selbst übernommen.

Nach seinem Dasein als Mühle und Wirtshaus geht das historische Fachwerkhaus einer neuen Bestimmung entgegen: Wohn- und Geschäftsräume sollen sich künftig unter dem zum Teil erneuerten Dach befinden. "Ich habe schon länger den Umzug meiner Agentur geplant, weil wir aus den Räumen am jetzigen Standort herausgewachsen sind", erklärt Wiemer-Mattheus, deren Unternehmen "eyecatch Design" derzeit an der Köcherstraße beheimatet ist. Die Spuren der Geschichte sollen später einen würdigeren Platz im Haus finden, als modrige Zwischenräume im Gemäuer: "Wir werden die Sachen in einer Vitrine aufbewahren", kündigt Wiemer-Mattheus an. Im Erdgeschoss sollen Gäste und Besitzer künftig wieder den alten Steinboden aus Brauhaustagen betreten.

(RP)
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