Solingen Das schwarze Brett im "Inter-Nett"

Solingen · Sie nennen sich "Nettis" und bitten sich gegenseitig um Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung, einem Chor oder einem guten Urologen. In der Facebook-Gruppe "Nett-Werk Solingen" gibt es Nachbarschaftshilfe in der virtuellen Welt.

Zugegeben, es klingt kurios, wie sich die Mitglieder der Facebook-Gruppe begrüßen: "Hallo liebe Solinger Nettis", schreibt etwa Sonja M. Auch andere begrüßen die Mitglieder in der Gruppe "Nett-Werk Solingen" so: Nettis. Das Wort soll Hilfsbereitschaft ausdrücken, es steht für nette Gesten und Nachbarschaftshilfe im virtuellen Raum. Inzwischen gibt es im sozialen Netzwerk Facebook Nett-Werke für zahlreiche große Städte der Republik.

Der Solinger Sascha Bösel ist Mitglied im Kölner, Leverkusener und Düsseldorfer Nett-Werk. "Dort werden die Netzwerke sehr gerne und mit Erfolgt genutzt", sagt er. Umso erstaunter musste Bösel feststellen, dass es in Solingen bislang kein Nett-Werk gab. "Da habe ich es einfach selbst ins Leben gerufen."

Seit knapp einem Monat gibt es die Gruppe nun schon. Inzwischen hat sie bereits rund 400 Mitglieder, die sich gegenseitig bei der Wohnungssuche helfen, bei der Suche nach guten Fitnessstudios Tipps geben oder nach einem Umzug fragen, wo man gut neue Leute kennenlernen kann. Andere bieten dort alte Handys zum Verkauf an oder stellen Mietangebote für die eigene Ferienwohnung ein. Manch einer sucht sogar nach einem Nachhilfe-Lehrer, der ihm für die Weiterbildung zum Industriemeister betriebswirtschaftliche Grundlagen beibringen kann. Im Prinzip ist das Nett-Werk ein riesiges schwarzes Brett im Internet.

"Im Nett-Werk gibt es immer etwas, was man brauchen kann", sagt Gründer Sascha Bösel. Auch bei Infos sei es perfekt. Sonja M. beispielsweise suchte nach ihrem Umzug nach Solingen nach einem neuen Chor zum Mitsingen und bekam daraufhin einige Tipps. Ein anderer Netti suchte Freiwillige, die sich an einer Umfrage im Rahmen seiner Masterarbeit im Fach Sozialpsychologie beteiligen. Sogar auf die Frage nach einem guten Urologen gibt es im Netzwerk eine Antwort. "Der riesige Vorteil ist, dass ich schnell und total unkompliziert agieren kann", sagt der Solinger Sascha Bösel. Egal ob es dabei um eine Frage ginge oder man etwas Verkaufen wolle -man spreche gezielt Leute aus Solingen und der Region an.

Damit das System nicht missbraucht wird, hat Bösel einige Regeln aufgestellt, an die sich die Gruppen-Mitglieder halten müssen. So dürfen über das Nett-Werk keine Tiere verkauft oder verschenkt werden. Links auf professionelle Verkaufsplattformen wie Ebay oder WG-Gesucht sind genauso verboten wie Werbung und versteckte gewerbliche Links oder Angebote. Tabu sind auch Aufrufe zu so genannten Shitstorms, Beleidigungen oder private Personenfahndungen.

Während es an anderen Stellen im Internet immer wieder zu Beleidigungen und einem rüden Umgangston kommt, sollen die Mitglieder des Nett-Werks dem Namen entsprechend freundlich zueinander sein. Bislang gebe es keine Probleme, sagt Sascha Bösel: "Ab und zu kommen einige Nachrichten von Kredithaien oder pornografische Links, aber die werden direkt gelöscht."

Das soll sich auch nicht ändern, wenn das Nett-Werk weiter wächst. Mit den großen Netzwerken könne man noch nicht mithalten, sagt Sascha Bösel. So hat das Nett-Werk Düsseldorf beispielsweise rund 27 000 Mitglieder, das Kölner kommt sogar auf knapp 100 000. Selbst das Nett-Werk Wuppertal hat mit rund 5600 Mitgliedern mehr als zehn mal so viel wie die Solinger Gruppe. Doch Bösel ist optimistisch, das sich das bald ändert: "Wir sind noch ganz am Anfang. Aber das wird."

(RP)
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