Solingen Der Kleine erfreut sich großer Beliebtheit

Solingen · Mit den vorgelegten Sparplänen der Verwaltung steht die vor einem Jahr eingeführte Kleinbus-Linie 688 auf der Kippe - zum Entsetzen der Fahrgäste, die regelmäßig zwischen Wald, Fürkeltrath, Gräfrath und Dyckerfeld unterwegs sind.

Um Punkt 16.19 Uhr wirft Horst Schwarzer einen prüfenden Blick über seine linke Schulter: Die Straße ist frei, die Ampel grün. Schwarzer setzt den Blinker. Langsam lenkt er seinen Bus, die Linie 688, von der Haltestelle Wald-Kirche auf die Friedrich-Ebert-Straße, den kleinen Hügel zum Marktplatz hinab. Irgendwo im Bus quietscht Gummi aneinander, der schwere Fahrkartendrucker rumpelt.

Langsam biegt Schwarzer nach rechts auf die Wittkullerstraße ab. Die Kurve ist eng, aber nicht zu eng für den zweiachsigen Kleinbus. Acht der elf Fahrgastplätze sind besetzt, hinten unterhalten sich leise Leonie und Anika Gundlack. Die 18- und 14-jährigen Schwestern fahren jeden Tag mit dem Bus. Morgens zur Schule, nachmittags zurück, häufiger auch später noch einmal, wenn sie Freunde treffen oder in die Stadt wollen.

Bis vor rund einem Jahr, bis die Linie 688 eingeführt wurde, bedeutete jeder Weg für die Schwestern zunächst einmal: laufen. 25 Minuten bis zur 683 in Gräfrath. Im Hellen wie im Dunkeln, bei Regen, Schnee und Sonnenschein. Denn sie leben am Eipaß - bis der "Kleine" der SWS kam zum blinden Fleck im öffentlichen Personennahverkehr. "Der Bus wird immer gut genutzt, von Schülern sowieso. Morgens sind es aber auch viele ältere Damen", erzählt Leonie, während Horst Schwarzer die Linie 688 durch die Stübbener Straße und schließlich hinab in die Eschbach steuert. "Dass der Bus wieder abgeschafft wird, das geht nicht", sagt Anika. "Wir brauchen den."

Horst Schwarzer hat den Blinker gesetzt und biegt in die Eipaßstraße ein. Links, am steilen Hang, kraxeln Kühe, schräg gegenüber ein Bauernhof, hinter der Kurve dann nur noch Landschaft. Links ein Feld, auf dem Krähen picken, rechts sanfte Hügel, alte Bäume, das Tal der Itter. Julian Felinks kennt diese Aussicht gut: Als es die 688 noch nicht gab, ist er über die Eipaßstraße zur Bushaltstelle Eschbach gelaufen, mindestens zwei Mal täglich 30 Minuten Fußweg - morgens auf dem Weg zur Arbeit, am späten Nachmittag zurück. "Klar war das oft riskant, es gibt hier keinen Bürgersteig", sagt der 17-jährige Auszubildende. An manchen Tagen, sagt Felinks, arbeite er extra eine Stunde länger - immer dann, wenn der Kleinbus mit seinen elf Sitzplätzen von Schülern aus Wald so stark genutzt wird, dass man nicht mal mehr einen der zehn Stehplätze ergattern kann. Am Eipaß, gleich hinter der Kuppe an der kleinen Haltestelle, steigt Julian Felinks mit Leonie und Anika Gundlack aus. "Tschüss", rufen sie Horst Schwarzer zu. Das Busfahren ist hier irgendwie persönlicher.

Es ruckelt und rumpelt, als Schwarzer langsam über die Bremsschwellen in der Tempo-30-Zone fährt. Am "Nordpol" wartet Gadmedija Ramis. Er arbeitet in der Nähe und fährt nur bis zur nächsten Station "Gräfrath" mit. Dort steigt der Wuppertaler in die 683 nach Vohwinkel um. Wegen einer Verletzung am Bein könne er nicht Auto fahren, erzählt der Mann, während Schwarzer seinen Bus auf den Zubringer und dann auf die Wuppertaler Straße lenkt. Es sei gut, dass es den Kleinbus gebe, sonst sei er darauf angewiesen, dass ihn ein Arbeitskollege mitnehme.

Nächster Stop: Lindgesfeld. Im Industriegebiet steigen erst zwei Frauen ein, dann Omar Kalkagui. Er arbeitet hier, jeden Tag fährt er mit der 688. "Vorher war es wesentlich umständlicher", sagt der 27-Jährige. Seiner Meinung nach wären im Industriegebiet noch mehr Busse erforderlich. "Ich sehe viele hier immer noch zu Fuß gehen", sagt er. Bei Haribo steigt ein Mädchen mit einem Geigenkoffer ein. Horst Schwarzer biegt nach rechts ab, auf die hektische Wuppertaler Straße - und dann nach links, plötzlich ist es wieder ganz ruhig, Gartenstraße, Nümmen, Schulte vom Brühl. Mittlerweile ist es dunkel geworden. Vorsichtig umkurvt Schwarzer geparkte Autos in den schmalen Straßen. Dann geht es wieder auf die Wuppertaler Straße und über Nordpol und Eipaß, Eschbach und Westersburg zurück nach Wald.

Der Kleinbus sei etwas anderes, sagt Horst Schwarzer, als er an der Haltestelle Wald-Kirche hält. Die Strecke sei etwas anderes, vor allem landschaftlich, man sehe andere Fahrgäste, der Bus sei immer gut besetzt. "Ich fahre die Linie gerne", sagt Schwarzer. Dann schließt er die Tür, wirft einen prüfenden Blick über die linke Schulter. Seine Route führt ihn weiter durch Wald. Schwarzer setzt den Blinker.

(mxh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort