Solingen Der Koloss von Gräfrath

Solingen · Seit 2004 kämpft die Initiative "Pro Gräfrath" gegen ein Windrad mitten in der Naturlandschaft in Sichtweite von Wohnhäusern. Ein erneuter Richterspruch, diesmal vor dem Oberlandesgericht, macht nun den Weg frei für den 150 Meter hohen Stahlkoloss.

Der Himmel ist klar, grün sprießt der Acker auf den Hügeln der Naturlandschaft in Gräfrath hinter Ketzberg. Von dem erdigen Wirschaftsweg, der leicht abwärts ins Tal führt, ist die Ketzberger Kirchturmspitze zu sehen sowie zahlreiche locker gruppierte Wohnhäuser. In großer Höhe ist eine V-förmige Formation von Zugvögeln erkennbar, vermutlich Kraniche, ihr Kreischen zerreißt die Stille.

Doch mit der landschaftlichen Idylle dürfte es nun bald schon vorüber sein. Der jahrelange Kampf der Bürgerinitiative "Pro Gräfrath" neigt sich dem Ende. Das Oberverwaltungsgericht Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 14. März die Klage gegen die Genehmigung zur Errichtung einer Windkraftanlage abgelehnt.

"Der Beschluss ist unanfechtbar", heißt es im Urteil. "Nun bliebe uns nur noch der Weg über das Bundesverfassungsgericht", sagt Frank Fischer, der für die Initiative mit rund 100 Mitgliedern spricht. Seit 2004 kämpfen er und seine Mitstreiter gegen das Windrad, das nun offenbar nicht mehr aufzuhalten ist. Etwa 80 000 Euro hat die Initiative nach eigenen Angaben investiert. Für Anwalts- und Gerichtskosten sowie für ein Naturschutzgutachten.

Es beschreibt die große Artenvielfalt der Gräfrather Landschaft, nur 50 Meter von einem Landschaftsschutzgebiet entfernt. Neben Waldkauz, Zwergfledermaus und großem Abendsegler soll auch der auf der Roten Liste bedrohter Tierarten stehende Rote Milan dort seine Kreise ziehen, sagt Fischer und wirkt frustriert. "Das alles hat offenbar niemanden interessiert." Vertreter von Naturschutzverbänden hätten bei einem Ortstermin abgewinkt, berichtet Fischer.

Klagen wollten sie nicht. So zogen Mitglieder der Initiative selbst vor Gericht. Einer ersten Niederlage vor dem Verwaltungsgericht am 28. Oktober 2010 folgte nun der zweite abweisende Beschluss durch die höhere Instanz. Die Kläger hatten versucht, die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans zu erschüttern, der den Acker "Auf der Geleichten" als Windradvorrangzone ausweist, und sie waren gescheitert. Die von der Bezirksregierung erteilte Genehmigung bleibt rechtswirksam.

So hoch wie der Kölner Dom

Nun ist also damit zu rechnen, dass mitten in der Gräfrather Naturlandschaft, bald ein 150 Meter hohes Windkraftrad vom Typ Enercon E 82 emporragt, etwa so hoch wie der Kölner Dom. Der Rotor hat einen Durchmesser von 82 Metern. Dafür war der Energieinvestor Windhagen GmbH aus Vreden die Genehmigung erteilt worden. Doch inzwischen interessiert sich auch das Solinger Unternehmen AEOS für den Standort. Es stehe in Verhandlung mit Windhagen, das Projekt zu übernehmen, berichtet Christian Fleischhauer von AEOS. Im Genehmigungsverfahren seien alle Aspekte sauber abgewogen worden, auch Lärmbelastung und Naturschutz, ist Fleischhauer überzeugt. Solingen sei eben nur ein durchschnittlicher Windstandort, eine kleinere Turbine mache wirtschaftlich keinen Sinn.

"Solingens Beitrag zur Wende"

Das riesige Windrad in Gräfrath betrachtet Fleischhauer als "Beitrag Solingens zur Energiewende". Und dabei werde es bleiben. Weitere zwei Standorte seien zwar zugelassen, doch eigneten sie sich nicht für den Zweck, sagt Fleischhauer. Wann das Windrad aufgestellt werde, sei noch nicht abzusehen, allein die Lieferzeiten eines solchen Typs betrügen etwa ein Jahr.

(RP)
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