Solingen Der vermisste Aha-Effekt zur Eröffnung

Solingen · Als Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Stiftung hat sich Hajo Jahn 25 Jahre lang für ein "Zentrum für für verfolgte Künste" eingesetzt. Das Ziel ist offiziell erreicht, nicht aber das des Initiators.

 25 Jahre hat sich Hajo Jahn den Eröffnungstag des "Zentrums für verfolgte Künste" herbeigesehnt. Den Festakt am 8. Dezember verfolgte der Wuppertaler von einem Platz mitten im Publikum.

25 Jahre hat sich Hajo Jahn den Eröffnungstag des "Zentrums für verfolgte Künste" herbeigesehnt. Den Festakt am 8. Dezember verfolgte der Wuppertaler von einem Platz mitten im Publikum.

Foto: Köhlen (Archiv)

Auf einen Platz in der ersten Reihe hat Hajo Jahn bei der Feierstunde zur offiziellen Eröffnung des "Zentrums für verfolgte Künste" verzichtet. Der Vorsitzende der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft saß mittendrin und hörte ganz genau hin, als die verschiedenen Redner zu ergründen versuchten, wer alles als Initiator der seit Anfang dieses Monats im Solinger Kunstmuseum ansässigen Einrichtung genannt werden sollte. "Wir haben fast 25 Jahre für ein Zentrum der verfolgten Künste gekämpft. Jetzt, wo das Zentrum realisiert ist, hat der Erfolg viele Väter und Mütter."

Hajo Jahn akzeptiert das und weiß auch das Engagement von Mäzenen und Sammlern für die Realisierung des Zentrums zu schätzen. "Dennoch bleibt es mein Kind, das ich habe aufwachsen sehen." Nun müsse er loslassen - ähnlich wie bei seinen leiblichen Kindern. "Ich bin glücklich und stolz auf sie." Ähnliches hoffe er auch eines Tages vom "Zentrum der verfolgten Künste" sagen zu können. Aktuell klingt Hajo Jahn jedoch enttäuscht, wenn er auf den Tag zu sprechen kommt, den er sich 25 Jahre herbeigesehnt hatte.

"Der Festakt war zweifelsohne eine würdige und würdevolle Veranstaltung mit guten Reden." Hajo Jahn allerdings hat in der "nüchternen Atmosphäre" des Konzertsaals das tiefe Gefühl der Betroffenheit vermisst, das nur ein Zeitzeuge vermitteln könne. Die Gastrede von Michael Tal, Museumsdirektor der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, habe diese Wirkung nicht erzielen können, "sie hat nur geschmückt".

Noch mehr schmerzt es den 74-Jährigen, dass sich das Zentrum in seiner Startphase nicht als das präsentiert, was es eigentlich darstellen soll. "Wo ist der Aha-Effekt, mit dem ein neues Museum bei seiner Eröffnung auf sich aufmerksam macht ? Diese Gelegenheit ist versäumt worden." Die Sonderausstellungen betrachtet Hajo Jahn als ausgezeichnet kuratiert und inhaltlich interessant, nur habe das zentral präsentierte Thema Holocaust mit der Verfolgung von Künsten und Künstlern wenig zu tun. Aus Hajo Jahn sprudeln die Ideen nur so heraus, wenn es darum geht, den Bogen zu spannen von der Gegenwart zu den Vorkommnissen in der DDR oder im Zweiten Weltkrieg. Einen Vergleich von verfolgten Bloggern und verfolgten Journalisten von früher. Die Vorstellung von verfolgten Menschenrechtsanwälten oder verfolgten Sportlern. Die Präsentation von Werken bekannter Künstler, die im Exil den Freitod gewählt haben. "Wir haben doch ganz aktuell das Thema Flüchtlinge." Um all diese Bezüge herzustellen, bedarf es nach Ansicht von Hajo Jahn eine andere Arbeit als reine Museumsarbeit. "Da es irgendwann keine lebenden Zeitzeugen mehr geben wird, brauchen wir eine neue Form der Erinnerungskultur und -pädagogik." So lange er kann, will Hajo Jahn sich dafür einsetzen.

(gra)
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