Martin Klebe Die Integration dauert oft mehrere Jahre

Solingen · Der Chef der Arbeitsagentur Solingen-Wuppertal über Flüchtlinge, die aktuelle Lage, "Aufstocker" sowie Weiterbildungsmaßnahmen und schwer zu besetzende Stellen.

Die Arbeitslosenquote ist in Solingen im Januar von 8,6 auf 8,8 Prozent gestiegen. Ein Grund zur Sorge?

Klebe Nein, das ist kein Grund zur Sorge, denn dieser Anstieg ist rein saisonal bedingt und ganz typisch für den Januar. Ursache sind die winterlichen Temperaturen, die sich auf die Beschäftigung in den Außenberufen ebenso auswirken wie das Auslaufen vieler Arbeitsverhältnisse zum Jahresende, insbesondere aus dem Weihnachtsgeschäft. Die Arbeitslosenquote ist in Solingen niedriger als vor einem Jahr.

Seit Jahresanfang werden "Aufstocker" von der Agentur betreut - also Menschen, die neben ihrem Arbeitslosengeld noch finanzielle Hilfe vom städtischen Jobcenter erhalten. Wie viele Frauen und Menschen sind das? Warum der Wechsel?

Klebe In Solingen werden jetzt etwa 150 sogenannte Aufstocker von der Agentur für Arbeit betreut. Da die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung vorrangig vor der Fürsorgeleistung des Jobcenters ist, ist dieser Wechsel der Zuordnung sinnvoll und nachvollziehbar. Der Gesetzgeber hat vor zwölf Jahren im Zuge der damaligen Arbeitsmarktreformen entschieden, die Betreuung arbeitsloser Kunden der Arbeitslosenversicherung den Agenturen für Arbeit und der Grundsicherung den Jobcentern zu übertragen. Dafür hat er den beiden Institutionen unterschiedliche Unterstützungsangebote und Arbeitsmarktinstrumente bereitgestellt, um die unterschiedlichen Zielgruppen adäquat betreuen zu können.

"Wir möchten mehr arbeitslose Menschen qualifizieren, damit die freien Stellen gut besetzt werden können", haben Sie beim Rückblick aufs Jahr 2016 gesagt. Im Januar meldeten sich aber 255, im Dezember und November 2016 sogar jeweils knapp 300 Solinger arbeitslos, die gerade einen Kurs oder eine Maßnahme abgeschlossen hatten. Wie effektiv sind die Kurse auf längere Sicht? Wer bestimmt, was angeboten wird?

Klebe Diese Zahlen beziehen sich auf beide Rechtskreise. Im Bereich der Agentur für Arbeit beendeten im Januar rund 100 Teilnehmer ihre Maßnahmen. Die Ergebnisse werden intern individuell und nach Maßnahmearten getrennt ausgewertet. Maßnahmen, die nicht die angestrebten Ergebnisse erreichen, werden angepasst oder aus dem Programm herausgenommen. Der Markt, also Angebot und Nachfrage, bestimmen, welche Qualifizierungen angeboten werden. Im Bereich der beruflichen Weiterbildung erarbeiten wir auf Basis einer differenzierten Marktanalyse - bezogen auf die Bedarfe des Arbeitsmarktes - eine jährliche Weiterbildungsplanung, die auch auf der Internetseite der Agentur für Arbeit veröffentlicht werden wird.

Flüchtlingen wollen Sie vor allem Sprachkurse offerieren, nachdem andere Maßnahmen wenig erfolgreich waren.

Klebe Für geflüchtete Menschen stehen Sprachkurse am Anfang eines häufig über mehrere Jahre andauernden Integrationsprozesses und sind eine wesentliche Voraussetzung auch für die Teilnahme und den Erfolg weiterer Fördermaßnahmen. Zunehmend organisieren wir unsere Angebote parallel, das heißt, der Kunde erhält neben seiner Sprachförderung klassische Maßnahmeangebote wie berufliche Orientierung, Eignungsfeststellung und -erprobung sowie Praktika.

Wo kommen Sie bei der Solinger Aufteilung auf Jobcenter und Agentur -überhaupt bei Flüchtlingen ins Spiel?

Klebe Die Agentur für Arbeit betreut im Wesentlichen geflüchtete Menschen im laufenden Asylverfahren sowie diejenigen ohne Bleibeperspektive, während die anerkannten Asylbewerber durch das kommunale Jobcenter betreut werden. Dies haben wir übrigens gemeinsam mit der Stadt Solingen unter einem Dach im Willkommenscenter eingerichtet. Einen hohen Stellenwert wird gerade bei den vielen jugendlichen Geflüchteten die Berufsorientierung und Berufsberatung einnehmen, die die Agentur für Arbeit für alle unabhängig von der Rechtskreiszugehörigkeit anbietet.

Seit Januar berichtet die Bundesagentur anders über arbeitslose Ausländer: Wegen der starken Zuwanderung komme es zu "systematischen Verzerrungen". Wie schlägt sich das in der Solinger Statistik nieder?

Klebe Seit Januar wird die Arbeitslosenquote für Ausländer nicht mehr für Städte ausgewiesen, sondern nur noch bis auf Ebene der Bundesländer. Ursache hierfür sind die erkannten Verzerrungen, die mit der Berechnungsweise der Arbeitslosenquote zusammenhängen. Wir beziehen uns in unserer monatlichen Arbeitsmarktberichterstattung wie bisher auf die absoluten Zahlen der arbeitslosen Ausländer, so dass wir Entwicklungen gut darstellen können.

Seit Ende Januar gibt es den neuen "Migrationsmonitor Arbeitsmarkt". Er sagt beispielsweise aus, dass im Januar von den 7537 Solinger Arbeitslosen 2648 Ausländer waren. Davon kamen 1612 aus Migrationsländern. Den größten Zuwachs - um 174 auf 361 - gab es bei Zuzügen aus Afghanistan, Eritrea, Iran, Irak, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Wie hilfreich sind derartige Daten?

Klebe Die Daten bieten heute zunächst einen ersten Überblick der Staatsangehörigkeiten mit und ohne hohe Bleibewahrscheinlichkeit und tragen zur Transparenz auf dem Arbeitsmarkt bei. In den nächsten Jahren werden diese verdeutlichen können, welche Staatsangehörigkeiten weitergehende Unterstützung benötigen und welche geflüchteten Menschen in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt integriert werden konnten.

Die Agentur weiß von mehr als 1000 unbesetzten Stellen in der Klingenstadt. Welche sind besonders schwer zu besetzen ?

Klebe Das sind insbesondere Facharbeiterstellen; je höher und spezialisierter die erforderliche Qualifikation ist, desto schwieriger sind diese Stellen zu besetzen, beispielsweise IT-Fachinformatiker, examinierte Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Erzieher, Sozialpädagogen, Elektriker sowie Anlagenmechaniker Sanitär-, Heizung-, Klimatechnik.

FRED LOTHAR FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(flm)
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