Solingen Drogenhandel: Gericht fischt (noch) im Trüben

Solingen · Prozessauftakt, Beweisaufnahme und am Ende gibt es eine Verurteilung oder einen Freispruch? So einfach läuft es eben doch nicht vor Gericht. Vor allem dann nicht, wenn der anklagenden Staatsanwaltschaft die Zeugen "wegbrechen". Geschehen ist das gerade inmitten einer Verhandlung gegen einen 31-Jährigen Solinger, der sich derzeit vor dem Wuppertaler Landgericht wegen Drogenhandels zu verantworten hat.

Üblicherweise spricht man in derartigen Fällen von einem Vergehen nach dem Betäubungsmittelgesetz, hier jedoch wurde ein Verbrechen angeklagt. Im Klartext heißt das: Es geht nicht nur um ein paar Gramm Haschisch oder ein paar Aufputschpillen. Sondern um erhebliche Mengen, die aus Solinger Wohnungen heraus oder auch mitten auf der Straße unter die drogenabhängige Kundschaft gebracht worden sein sollen.

Wie viel genau? Dazu gibt es zwar eine Auflistung von 20 Taten - von denen allerdings will der Angeklagte gerade mal die Hälfte begangen haben. Das wiederum macht es für die Anklage kompliziert. Denn nun sind Zeugen gefragt - und die ließen den sprichwörtlichen "Drogensumpf" in gänzlich neuem Licht erscheinen. Oder anders gesagt: Sie ließen das Gericht im Trüben fischen.

Ein erster Zeuge - über Mittelsmänner selbst Abnehmer der Drogen - war deshalb bereits in einem vorherigen Verfahren zu zwei Jahren Freiheitsentzug auf Bewährung verurteilt worden. Weil nicht klar war, ob er sich durch seine Aussage selbst belasten könnte und ihm ein Aussageverweigerungsrecht zusteht, wurde er erstmal wieder nach Hause geschickt.

Ihm folgte ein 60-Jähriger Solinger in den Zeugenstand - vorgeführt aus der Justizvollzugsanstalt, in der er ebenfalls wegen Drogenhandels noch bis 2020 einsitzt. Konsumiert wurden Kokain, Haschisch und Amphetamine - und das offenbar mit erheblichen Auswirkungen auf das Erinnerungsvermögen. Hatte dieser Zeuge den Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung noch belastet, so wollte er sich daran nun nicht mehr erinnern können. "Ich dachte, ich hätte das alles hinter mir", ließ er den hartnäckig nachfragenden Richter wissen. Er habe den Angeklagten für mehrere Monate bei sich wohnen lassen, als dieser von der Polizei aus der ehelichen Wohnung verwiesen worden war. Warum? Dazu war vom Angeklagten selbst nicht mehr zu hören als das: "Meine Frau war psychotisch und hat Stimmen gehört". Üblicherweise sind Wegweisungen die Folge häuslicher Gewalt, dazu jedoch gab es keine näheren Einlassungen. Mit dem Koffer auf der Straße begann für den Familienvater eine Odyssee, die offenbar nur noch "zugedröhnt" zu ertragen war. Drogen wurden gekauft und verkauft, um sich den eigenen Konsum und den Lebensunterhalt zu finanzieren. Zwischenzeitlich verhinderte nur ein Sprung durchs Fenster aus der Wohnung der Schwiegermutter eine Festnahme. Die erfolgte dann wenig später in einem Solinger Treppenhaus. Nun wartet der Mann auf sein Urteil, das wohl auch davon abhängen wird, wie viele Taten ihm zweifelsfrei nachgewiesen werden können. Der Prozess wird fortgesetzt.

(magu)
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