Solingen Ehrenamtler teilen verschmähte Lebensmittel

Solingen · Rebecca und Werner Höttges betreiben mit rund 30 Mitstreitern den Foodsaving-Service bei den Maltesern.

Die fröhlich singende Stoffkuh auf dem Armaturenbrett des Transporters hat mit dem Gemüse, den Back- und Molkereiwaren im Frachtraum eines gemeinsam: Sie wäre im Geschäft nicht mehr verkauft worden. "Wahrscheinlich war bei ihr einfach die Verpackung kaputt", mutmaßt Rebecca Höttges.

Gemeinsam mit Ehemann Werner (40) und zweien ihrer vier Kinder auf dem Rücksitz ist die 32-Jährige zu einer besonderen Rundfahrt durch die Klingenstadt aufgebrochen: Wie an jedem frühen Nachmittag unter der Woche klappert das Ehepaar verschiedene Warenhäuser ab und sammelt dort in erster Linie Lebensmittel ein, die es nicht mehr in die Verkaufstheke schaffen würden. Darunter sind Joghurts, die sich dem Haltbarkeitsdatum nähern oder es womöglich bereits überschritten haben, Gemüse, das optisch nicht mehr makellos, aber dennoch genießbar ist, sowie Waren, die schlicht wegen defekter Umverpackung aussortiert wurden.

"Einmal hatten wir den Fall, dass aus einer heruntergefallenen Palette mit 150 Grillsaucen zwei Flaschen kaputt gegangen waren, während die anderen nur kurz äußerlich hätten gesäubert werden müssen", berichtet Höttges - für das Unternehmen eine Abschreibung, für die Foodsaver ein buchstäblich gefundenes Fressen. Deren Ziel ist es, die Lebensmittel vor dem unnötigen Wegwerfen zu bewahren und sie an Menschen zu verteilen, die sie dankbar annehmen.

Begonnen hatte das Engagement der Höttges' im Frühsommer 2015: Damals bauten sie die Solinger Gruppe des in vielen deutschen Städten aktiven Vereins "Foodsharing" auf. "Anfangs haben wir die Sachen bei uns auf dem Hof verteilt", erzählt Rebecca Höttges. Seit über einem Jahr jedoch findet die Aktion gegen den Verfall von Nahrungsmitteln unter dem Dach der Malteser statt. In deren Wache an der Löhdorfer Straße verteilen die Foodsaver das aus bis zu elf Lebensmittelgeschäften Abgeholte an sechs Tagen pro Woche. Rund 30 Mitstreiter sind inzwischen dazugestoßen - vom 82-jährigen Rentner bis zur 16-jährigen Schülerin. "Trotzdem sind wir immer noch ein kleines Team", betont Rebecca Höttges, die weiterhin Unterstützer sucht. Schließlich erreicht ihre Arbeit täglich 50 bis 60 Familien, die unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation willkommen sind. Neben zusätzlichen Helfern würden weitere teilnehmende Geschäfte gebraucht. Und auch der finanzielle Aufwand, den die Foodsaver in ihre noch immer ehrenamtliche Arbeit stecken, ist nicht unerheblich: Spritkosten für die zum Teil stundenlangen Fahrten durch Solingen sowie für große Müllsäcke, Handschuhe oder bestimmtes Verpackungsmaterial tragen sie selbst. Hilfe leisteten neben einigen Warenhausketten auch mehrere Solinger Bezirksvertretungen, die den Foodsavern den Einkauf von Kühlschränken bewilligten. Im regelmäßigen Kontakt stehen sie mit dem Bergischen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt. Schließlich gibt es vieles, auf das im Umgang mit dem Essen zu achten ist, vom Gesundheitszeugnis über die Arbeit mit Handschuhen, die Nutzung von Desinfektionsmitteln oder die Einhaltung der Kühlkette.

Auf den Laderampen der Geschäfte prüft Werner Höttges die Waren. Dort stehen Kisten mit Tomaten, Lauch, Radieschen oder Auberginen. Was einen ersten groben Test besteht, kommt mit nach Aufderhöhe. Dort schauen die Mitarbeiter noch einmal genauer nach, welche Lebensmittel sie ihren Kunden anbieten können und welche noch ein befreundeter Bauer für seine Tiere mitnehmen kann. "Wir wollen so vieles wie möglich verwerten", betont Werner Höttges. Die letzte Kontrolle müssten allerdings die Verbraucher selbst vornehmen, stellt seine Ehefrau klar.

Am vergangenen Samstag schließlich winkten den Kunden neben den kostenlos verteilten Waren auch noch besondere Überraschungen: Im Rahmen der Nikolausfeier sagten die jungen Gäste Gedichte auf und ergatterten vom heiligen Mann kleine Geschenke. Über 100 Familien tummelten sich zudem an den Lebensmitteltheken. "Wir sind durch die Feier auf die Foodsaving-Aktion aufmerksam geworden", berichtete Melanie Ruske, die mit ihrem Ehemann Dennis und dem Nachwuchs zur Malteser-Wache gekommen war. "So etwas ist sehr wichtig, wenn man bedenkt, wie viel weggeschmissen wird", sagte Dennis Ruske. "Ich komme jeden Samstag und hole das, was ich brauche, wenn ich in meinem Beruf als LKW-Fahrer unterwegs bin", verriet derweil Thorsten Reusch.

Der engste Kreis der Helfer besteht bei den Foodsavern aus sechs Personen - und für die ist die Tätigkeit zur Rettung von Lebensmitteln mehr als nur Arbeit: "Ich habe dadurch meine wohl beste Freundin gefunden", sagt Rebecca Höttges, "außerdem haben wir viel Wertvolles über Lebensmittel gelernt und darüber, wie man sie zubereitet."

(ied)
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