Solingen Ein Jahr und drei Monate Haft für Drogenverkauf

Solingen · Der Vorsitzende Richter und seine Schöffen hatten keine Zweifel - nicht daran, dass der 20-jährige Angeklagte im September vergangenen Jahres mit einem Komplizen am Düsseldorfer Hauptbahnhof mit Marihuana und Kokain gedealt hat. Nicht daran, dass der junge Mann, der seit Februar 2014 in Deutschland ist und hier in einer Flüchtlingsunterkunft lebt, bei dem bereits polizeibekannten Komplizen hospitiert hat, um in die Dealer-Szene eingeführt zu werden.

Und auch nicht daran, dass der Afrikaner, nachdem er einmal von den Drogenfahndern erwischt worden war, clever genug war, den szenebekannten Platz unweit des Düsseldorfer Hauptbahnhofs zu meiden.

Und auch beim zweiten Vorwurf - neben dem gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln war der 20-Jährige auch wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln angeklagt - gab es für das Jugendschöffengericht keinen Zweifel: Der Angeklagte hatte am ersten Prozesstag selbst eingeräumt, Marihuana für den Eigenkonsum besessen zu haben. Für beide Taten verurteilte das Amtsgericht den jungen Mann gestern zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten.

"Es kann keinen Zweifel geben, dass es sich so abgespielt hat, wie von den Polizeibeamten vor Gericht geschildert", erklärte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Drei Drogenfahnder hatten als Zeugen ausgesagt, den Angeklagten am Hauptbahnhof bei Drogendeals beobachtet zu haben. "Und dann kommt dieses Verfahren hier auf ihn zu, und am eigentlichen Tag der Hauptverhandlung im April, die nur verschoben werden musste, weil alle Zeugen nicht konnten, werden noch einmal 2,6 Gramm Marihuana bei einer Razzia in seiner Tasche gefunden. Da muss man schon sehr blauäugig sein", so der Vorsitzende Richter weiter, der, wie der Staatsanwalt, bei dem jungen Mann schädliche Neigungen erkannte: "Er hat sich in die Dealerszene begeben, war trotz Strafverfolgung weiter mit Drogen in Kontakt. Zudem hätte er bereits alle Zeit der Welt gehabt, einen Deutsch-Kurs zu machen, erwerbstätig zu werden. Aber er hat nur in den Tag hinein gelebt."

Der junge Mann stammt aus Westafrika, seine Eltern kamen ums Leben, als er zehn Jahre alt war. Damit endete seine Schullaufbahn und begann sein Leben als Gelegenheitsarbeiter, erst in Afrika, über Madrid gelangte er schließlich nach Europa. Heute lebt er mit drei anderen Männern in einem Zimmer im Flüchtlingsheim. Erst zwei Tage vor der Fortsetzung der Verhandlung hat er einen Deutschkurs aufgenommen.

"Er ist nicht gereift, sondern sozial verwahrlost, hat alles nicht bekommen, was zu einer normalen Entwicklung gehört, wie Schulbildung oder familiären Kontakt. Er hat gravierende Defizite, die nur durch eine Jugendstrafe ausgeglichen werden können", begründete der Richter die Anwendung des Jugendstrafrechts. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

(mxh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort