Solingen Ein mörderisches Verwirrspiel

Solingen · Spannung bis zur letzten Minute: Der Psycho-Thriller "Das Verhör" hatte Premiere im Kammerspielchen in Gräfrath.

 Kris Köhler, Edmund Willms und Michael Oenicke (von links) spielen in "Das Verhör".

Kris Köhler, Edmund Willms und Michael Oenicke (von links) spielen in "Das Verhör".

Foto: Kammerspielchen

Es ist eine Gratwanderung. Der eine reist nach Afrika, verteilt dort Bonbons an Kinder und gilt als Held der Humanität. Wer dasselbe auf einem deutschen Spielplatz macht, kommt zehn Jahre in Sicherungsverwahrung. Das wusste schon der Kabarettist Dietmar Wischmeyer. Und der Autor John Wainwright wusste es auch, als er die Figur des Adam Barklay schuf. Der erfolgreiche Anwalt, der in besten Kreisen verkehrt, hat eine dunkle Seite, die er verbergen muss. Statt Vögel zu beobachten, spannt er in fremden Schlafzimmern, statt Tiere zu knipsen, fotografiert er Kinder, statt seine Schwägerin zu besuchen, geht er zu jungen Prostituierten. Das plaudert man natürlich nicht so gerne aus. Darum verstrickt sich Adam mehr oder weniger unfreiwillig in Widersprüche. Gerade weil er die Leiche der achtjährigen Susan im Graben des Stadtparks gefunden hat. Als Zeuge einbestellt, wird schnell aus Adam der Hauptverdächtige.

Ein richtiges Krimi-Ereignis ist der Psycho-Thriller "Das Verhör" nach dem Roman von John Wainwright, der Premiere in den Kammerspielchen in Gräfrath hatte. Viel Requisite braucht es nicht: vier schäbige Stühle, ein spartanischer Metalltisch, über dem eine Neonfunzel ihr kaltes Licht verbreitet. Das genügt, damit Regisseur Ronald F. Stürzebecher mit seinen vier Schauspielern die spannungsgeladene Atmosphäre knistern lassen kann.

Adam ist als Zeuge zur Befragung gekommen, verheddert sich in seinen Aussagen - und sieht sich plötzlich als Mörder verdächtigt. Zumal er auch in der Nähe der ebenfalls toten Laura, eines weiteren Opfers, gesehen wurde. Edmund Willms als Adam gibt eine hervorragende Vorstellung. Er versteht es, die Figur vielgestaltig schillern zu lassen, mal aufbrausend, mal resigniert. Mit einem jovialen wie eitlen "Guten Abend ihr Kameraden" kommt er gut gelaunt ins Vernehmungszimmer. Am Ende sitzt er als zusammengesunkene und gebrochene Gestalt in der Ecke und gibt Morde zu, die er gar nicht begangen hat. "Das Verhör" ist auch eine Studie darüber, wie Menschen unter immer mehr Druck zusammenbrechen - ja, ganz andere werden können.

Adams Widerpart ist Chief-Inspektor John Parker. Mal polternd, mal verständnisvoll legt hier Michael Oenicke die Rolle irgendwo zwischen Inspektor Barneby und Tatort-Kommissar Veigl an. Dabei versteht es Oenicke auch das Undurchsichtige der Figur durchschimmern zu lassen. Will der kurz vor der Pensionierung stehende Polizist seinem Freund eins auswischen, um die eigene Karriere mit einem Paukenschlag des Erfolges zu beenden? Immerhin konnte Adam Jura studieren und aufsteigen, wogegen sein Freund John das Studium aus Finanznot abbrechen und für karges Gehalt zur Polizei gehen musste.

Zwischen Freundschaft und Misstrauen, zwischen Wahrheitssuche und Lebenslüge hin und her gerissen, liefern sich die beiden ein regelrechtes Psychoduell. Fängt das Stück beinahe als Komödie an, so endet es doch als Tragödie: eine intensiv erlebte Talfahrt.

Ein Höhepunkt im zweiten Teil ist wahrscheinlich, wenn Parkers Assistent Hastings dem armen Adam buchstäblich auf den Leib rückt, um die Vergewaltigung und Ermordung der Kinder nachzustellen. Kris Köhler gibt dem Sergeanten eine besonders grimmig aggressive Gestalt: ein Gerechtigkeitsfanatiker, dem fast jedes Mittel Recht ist, um den Verdächtigen zu überführen. Und dann ist da noch Adams Ehefrau Lilian. Von der Pädophilie ihres Mannes weiß sie - seither leben sie in getrennten Schlafzimmern.

Blasiert und eitel gibt Silke Newig der Rolle der Ehefrau beinahe komödiantische Züge. Aber auch sie ist in ihrem selbst gewobenen Lebensgeflecht völlig gefangen genommen. Aber, wie es zu einem richtigen Thriller gehört, es kommt am Schluss doch ganz anders, als der Zuschauer gedacht hat.

(RP)
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