Solingen Ein Schelm der besonderen Sorte

Solingen · Bei seiner Eigeninszenierung lässt das Solinger Stadtensemble einen bezaubernden "Till Eulenspiegel" seine Streiche spielen.

 Till Eulenspiegel (r. / Renate Kemperdick) versucht, die Hantel des starken Libuda (Karl-Josef Überall) zu stemmen.

Till Eulenspiegel (r. / Renate Kemperdick) versucht, die Hantel des starken Libuda (Karl-Josef Überall) zu stemmen.

Foto: Deus

Gejohle im voll besetzten Pina-Bausch-Saal des Theater und Konzerthauses, ohrenbetäubendes Geschrei und Gekreische: Sollte es hier einen handfesten Theaterskandal geben ? "Nein, wir sind nur so aufgeregt", verrät die achtjährige Lisa.

 Das 20-köpfige Stadtensemble mit Schauspielern aus dem Ensemble Profan, den Bühnenspielen Höhscheid und der Theatergruppe Wohlgemuth sowie die Zirkus-Mädchen des Merscheider TV begeistern die Zuschauer.

Das 20-köpfige Stadtensemble mit Schauspielern aus dem Ensemble Profan, den Bühnenspielen Höhscheid und der Theatergruppe Wohlgemuth sowie die Zirkus-Mädchen des Merscheider TV begeistern die Zuschauer.

Foto: Deus

Dazu gibt es allen Grund. Denn ein Schelm der besonderen Sorte wird gleich seinen Unfug treiben. Für das diesjährige Weihnachtsstück für Kinder in der Eigeninszenierung des Kulturmanagements hat sich das Stadtensemble Solingen nämlich Till Eulenspiegel vorgenommen. Die witzige und bezaubernde Vorlage zu "Till Eulenspiegel - Die neuen Abenteuer" hat Uwe Dahlhaus vom Ensemble Profan geschrieben. Und mit den Schauspielern der beiden weiteren Solinger Theatergruppen, Wohlgemuth und Bühnenspiele Höhscheid, hat man sich schon vor rund zehn Jahren zum Stadtensemble zusammengefunden, das nun das jährliche Weihnachtsstück auf die Bühne bringt.

Man merkt den Schauspielern den Spaß an dieser ungewöhnlichen Aufgabe buchstäblich an. Man merkt ebenfalls, wie erfrischend munter die Akteure der doch so unterschiedlichen Gruppen spielen und zu einem Ensemble zusammengewachsen sind. Und wenn am Schluss der Jubel ausbricht, ist es klar, dass Regisseur Michael Tesch wieder eine goldene Hand bei dieser in märchenhaften Kulissen spielenden Handlung hat (Bühnenbild: Michael Tesch und Martin Witte). Erfolg gibt eben Recht: Neun Vorstellungen der Eigeninszenierung sind angesetzt - das findet man sonst nur an großen Bühnen.

Zunächst wird Till zur Freude der Kinder durch den Zuschauerraum gejagt. Schuster Riemenschneider will ihm ans Leder, da Till für den Bürgermeister zwei linke Schuhe fabriziert hat. Aber warum auch nicht, wenn der Stadtvater auch zwei linke Hände hat. Bäckerin Haberkorn ist ihm auch auf den Fersen. Denn sie will unbedingt, dass von Till zusammenfantasierte Plätzchenrezept haben. Da drückt dann natürlich dem hochtrabenden Bürgermeister Tausendprotz der Schuh bei seiner Ansprache - der rechte natürlich. Da kann auch seine eitel-dumme Gattin Luise nicht helfen. Der Großkotz hat zu verkünden, dass der Circus Strazziatella in das kleine Städtchen kommt.

Mit dem scheint es aber nicht ganz so gut bestellt zu sein - zumal Till unbedingt mitmachen will. Das geht bei der Probe natürlich gründlich schief. Die Hantel des starken Libuda kriegt er nicht vom Fleck, die Wahrsagerin Memo bringt er gehörig durcheinander und den Akrobaten vermasselt er die Nummer. Und der auf einen Flohcircus heruntergekommene Raubtierbändiger wird auch nicht glücklich mit ihm. So wird er zuletzt Clown-Assistent des Zauberers - Pardon: Magiers. Da legt Meister Samsarow Wert drauf. Immerhin gelingt es ihm, mit viel Getöse die Gattin des Bürgermeisters verschwinden und wieder auftauchen zu lassen. Nur die wertvolle Perlenkette bleibt dabei verschollen. Und der Verdacht fällt auf den armen Till.

Bei rund 20 Rollen wäre es bei dieser tollen Ensembleleistung nicht fair, Einzelne herauszuheben. Aber die Titelfigur muss genannt sein: Renate Kemperdick sitzt wirklich der Schalk des Eulenspiegel im Nacken: Flink und schlagfertig hat sie das junge Publikum von Anfang an auf ihrer Seite. Mit der nötigen Artistik auf der Bühne sorgen die jungen Damen der Zirkustruppe des Merscheider Turnvereins für die richtige Atmosphäre. Und wer genau hinguckt, erkennt auch Hans Knopper, Direktor des Kulturmanagements, auf der Bühne: richtig schlapp gibt er den Nachtwächter, den "müden Hans".

Vom ersten fetzigen Ton an, der aus dem Orchestergraben kommt, sind Jung und Alt hingerissen. Im Rhythmus wird gezappelt. Dafür sorgen Ralf Mutz und seine Musiker Philip Mancarella, Peter van der Heusen und Nico Stamm. Wer erleben möchte, was für ein effektvolles Ende einen bei "Till Eulenspiegel" erwartet, hat noch die lohnende Gelegenheit.

(RP)
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