Solingen Eine faszinierende Tanzreise in die Unterwelt

Solingen · Das Solinger Tanztheater 55+ begeisterte mit der Inszenierung: "Zerberus oder was wurde eigentlich aus Eurydike".

Beinahe lautlos und wie in Zeitlupe durchschritt Zerberus, der Wächter der Unterwelt, den kargen, spärlich ausgeleuchteten Raum. Auf seinem Rücken trug der Höllenhund die zappelnde Eurydike, von deren frühem Tod durch einen Schlangenbiss eine ruhige Stimme aus dem Off berichtete. Augenblicklich wandelte sich die beinahe meditative Stimmung und dutzende geisterhaft anmutende Gestalten wirbelten um das ungleiche Paar herum. Die antike Orpheus-Sage diente als Vorlage für die Inszenierung "Zerberus oder was wurde eigentlich aus Eurydike", die das Solinger Tanztheater 55+ jetzt auf die Bühne brachte. Nach fast einjähriger Probezeit bot das neu gegründete Ensemble den Zuschauern im voll besetzten Pina-Bausch-Saal eine mitreißende Vorstellung.

36 Akteure - unter ihnen auch Choreograf Marcus Grolle und seine Assistentin, die Tänzerin und Schauspielerin Renate Kemperdick - schufen zu orchestralen und elektronischen Klängen immer wieder eindrucksvolle Bilder und Figuren. Perfekt harmonierte die Choreografie auch mit der Ausstattung, um die sich Stephan Haeger gekümmert hatte: Die Tänzer balancierten auf Stühlen, die aus unterschiedlichen Segmenten zusammengesetzt waren, kreierten Lichtkreisel mit Taschenlampen und drehten sich zum Walzer mit Neonleuchten in ihren Händen.

Erneut meldete sich die Stimme der Erzählerin Karla J. Butterfield und erklärte, wie Orpheus in die Unterwelt hinabstieg, um den Gott Hades mit seinem Gesang und Spiel zur Rückgabe seiner Gemahlin zu bewegen. Renate Kemperdicks Schlussmonolog als Eurydike spannte den Bogen von der griechischen Sage in die Neuzeit, in der die Beziehung zwischen den auf tragische Weise getrennten Liebenden längst gescheitert ist. Aus Orpheus wurde ein Songschreiber auf Sinnsuche und aus der Unterwelt eine Musikkneipe, deren Türsteher Zerberus ist - und in der sich die Tänzer, die nun ihre weißen Kleider gegen bunte Gewänder eingetauscht hatten, mit sichtlicher Freude austobten.

Das gemeinsame Theaterprojekt von Seniorenbüro, Kulturmanagement und Bergischer Volkshochschule sollte zeigen, dass Vitalität keine Altersfrage ist. Den Beweis traten die Tänzerinnen und Tänzer aus Solingen und Umgebung im Alter von bis zu 80 Jahren auf der Bühne an. Das Publikum belohnte das Ensemble schließlich mit langanhaltendem Applaus und stehenden Ovationen. Jürgen Beu vom Seniorenbüro kündigte eine Neuauflage an - und richtete sich in seiner Ansprache nach der Vorstellung direkt ans Publikum: Denn Voraussetzung für eine Teilnahme am Tanztheater ist nicht etwa tänzerische Vorerfahrung, sondern vor allem die Freude am körperlichen Ausdruck. Am 18. Februar 2017 soll die zweite Inszenierung Premiere feiern - dann unter Mitwirkung des Jugendsinfonieorchesters. Der Probenbeginn ist für April geplant. Wer gerne mitwirken möchte, kann sich bei Jürgen Beu melden (Telefon: 290 52 82).

(ied)
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