Solingen Erinnerungen an Katia

Solingen · Sigrid Martin-Schillings Tochter Katia starb vor drei Jahren an einer seltenen Stoffwechselkrankheit. Ihre Familie blickt traurig, aber auch sehr dankbar zurück.

Katia, von ihrer Familie und Freunden Kathi genannt, ist ein fröhliches und gesundes Mädchen. Nur klein sei sie mit 1,49 Meter gewesen, erzählt ihre Mutter Sigrid Martin-Schilling. Der 2. August 1998 verändert Katias Leben und das ihrer Familie für immer. Die damals 16-Jährige erleidet in der Nacht einen Schlaganfall.

In der Reha trainiert sie ehrgeizig und schafft es, die Folgen des Schlaganfalls zu überwinden. "Was uns Sorge bereitete war, dass keiner der Ärzte sagen konnte, warum meine Tochter den Schlaganfall erlitten hat." Sie gehen von einem unglücklichen Zufall aus und Katia lebt ihr Leben wie zuvor. Nur ein halbes Jahr später folgt der zweite Schlaganfall und alle Hoffnungen, dass keine ernsthafte Erkrankung vorliegt, werden zerstört.

Melas-Syndrom

In der Uniklinik in Göttingen wird eine seltene Stoffwechselkrankheit bei der Jugendlichen, die unter anderem große Sehprobleme hat, festgestellt. Das Melas-Syndrom wird nur von Müttern auf ihre Kinder übertragen, muss aber keine Beschwerden hervorrufen. Katias ältere Schwester ist ebenso Träger der Krankheit wie Mutter Sigrid Martin-Schilling, bei der sie vor einigen Jahren ausbrach.

Zellen sterben ab, Schlaganfälle und Minderwuchs sind typisch. Zwei Jahre lang geht es Katia gut. Sie ist tapfer und kämpft sich erneut in der Reha zurück ins Leben. Ihre Gangsicherheit bleibt jedoch beeinträchtigt, außerdem sieht und hört die junge Frau schlecht. Katia bekommt epileptische Anfälle und muss sich im Alltag einschränken. Musik über Kopfhörer und Discobesuche sind nicht möglich, täglich muss sie viele Tabletten nehmen. "Wir wussten, dass Katia nur noch maximal 15 Jahre zu leben hat", sagt ihre Mutter.

Sie hat ihrer Tochter nie davon erzählt. "Ich wollte sie schützen, ihr so viel Unbeschwertheit ermöglichen, wie es geht." Mittlerweile besuchte Katia eine Schule für Sehbehinderte in Düsseldorf. Trotz ihrer Krankheit ist sie kontaktfreudig und erlebt ihre erste Liebe. Dann kommt es zum dritten Schlaganfall. "Wir lebten in einer Verdrängungswelt, um das alles aushalten und für Kathi stark sein zu können", erinnert sich Sigrid Martin-Schilling und ihre Stimme bricht. Katia holt ihr Abschlusszeugnis ab und geht sofort danach wieder in die Reha, wo sie tragischerweise ihren vierten Schlaganfall erleidet.

Sie kann nicht mehr laufen und lebt durch die geistige Beeinträchtigung in ihrer eigenen Welt, wie ihre Mutter es formuliert. Innerhalb von drei Tagen muss ein anderes Leben organisiert werden und sie zieht in eine Einrichtung des Heilpädagogische-Hilfen-Netzwerks des Landschaftsverbands in Solingen (HPH). Dort blüht das Mädchen auf, umgeben von vielen Freunden, Mitarbeitern und Helfern. Von Heimweh keine Spur. Ihr Gesundheitszustand wird jedoch immer schlechter. 2007 liegt sie drei Wochen im Koma. Trotzdem darf Katia in ihre Einrichtung zurück, alle kümmern sich rührend um sie – von den Bewohnern bis zu Mitarbeitern des Palliativen Hospiz Solingen (PHoS).

Irgendwann funktioniert die Ernährung durch die Magensonde nicht mehr, die Familie empfindet "totale Hilflosigkeit". Am Morgen des 14. Januar 2008 ist Katia gestorben. Ihre Mutter, die oft in die Einrichtung an der Mittelstraße zurückkehrt und dort eine Frau betreut, ist traurig und dankbar zugleich. "Es ist schlimm, sie verloren zu haben, aber wir sind dankbar für alles, was wir an ihr hatten."

(pbm)
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