Solingen Erneuter Weltkriegsfund in Unterburg
Solingen · Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche sind Arbeiter auf der Großbaustelle am Eschbach auf eine Granate gestoßen. Wieder rückte der Kampfmittelräumdienst an. Auch über 70 Jahre nach Kriegsende sind die Funde höchst gefährlich.
Der Krieg war längst verloren, in jenen Frühlingstagen des Jahres 1945. Gleich von mehreren Seiten rückten die amerikanischen Truppen auf den Großraum Solingen vor. Am 14. April waren die ersten GIs in Oberburg aufgetaucht. Doch mancher wollte die verheerende Niederlage weiterhin nicht wahrhaben. So sprengte beispielsweise der Kommandeur der deutschen Truppen in Unterburg sprichwörtlich in allerletzter Sekunde noch zwei Brücken im Ort, um die US-Soldaten aufzuhalten.
Vergeblich, kurze Zeit später schwiegen endlich die Waffen. Wobei die Erinnerung an die letzten Kriegstage bis heute immer wieder zurückkehrt. Wie etwa gestern, als es auf der Großbaustelle in Unterburg innerhalb von wenigen Tagen zum zweiten Mal eine unvorhergesehene Unterbrechung gegeben hat. Denn nachdem die Arbeiter bereits in der vergangenen Woche im Eschbach auf eine Mörsergranate aus dem Zweiten Weltkrieg gestoßen waren, kam es nun erneut zu einem Fund.
Gegen 8.20 Uhr hatte der Fahrer eines Baggers, der gerade damit beschäftigt gewesen war, das Bachbett auszuheben, eine Acht-Zentimeter-Wurfgranate in seiner Baggerschaufel entdeckt. Die Bauarbeiter stoppten daraufhin sofort ihre Arbeiten und informierten den Kampfmittelräumdienst, der umgehend in Unterburg anrückte, um die Granate zu bergen.
Dabei werden Munitionsfunde auf der Baustelle für einen besseren Hochwasserschutz für die eingesetzten Arbeiter langsam fast schon zu einer Art von Routine. "Unsere Mitarbeiter sind geschult und sensibilisiert", sagte der verantwortliche Polier Manfred Breuer von der Firma Hochtief, derweil sich Uwe Palmroth und Udo Lokotsch vom Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung Düsseldorf zunächst einmal daran machten, die ausgehobene Granate aus deutscher Produktion für den Abtransport zu sichern.
Denn vor Ort sollte das Relikt aus dem Krieg nicht entschärft werden. "Wir transportieren die Granate nach Hünxe. Dort wird sie fachgerecht entsorgt", schilderte Uwe Palmroth. So werde die Granate zuerst aufgesägt und anschließend der Sprengstoff entfernt, betonte der Experte, der am Montag mit seinem Kollegen gleich mehrere Einsätze hatte.
"Wir sind gerade aus Emmerich gekommen und fahren nachher nach Wuppertal", sagte Palmroth, der das Verhalten des Baggerfahrers lobte. Dieser habe zu "100 Prozent" alles richtig gemacht, versicherte der Kampfmittelräumer, der darüber hinaus unterstrich, dass mit solchen Funden auch über sieben Jahrzehnte nach Kriegsende nicht zu spaßen sei.
Ob es sich nun um eine große Fliegerbombe handelt oder eine Wurfgranate, wie jetzt in Unterburg - stets ist absolute Sorgfalt angesagt. "Wurfgranaten haben Splitterwirkungen bis zu einem Bereich von 1000 Metern, wenn sie zünden", sagte Uwe Palmroth.
Ein Szenario, das gestern zum Glück ausblieb. Gegen 11.15 Uhr konnten die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden, die - wie alle anderen Maßnahmen - von der Stadt im Vorfeld auch im Hinblick auf Kriegsüberbleibsel genau vorbereitet worden waren.
"So werden, ehe irgendwo die Bagger rollen, zunächst alte Luftaufnahmen geprüft", sagte Frank Müller vom Ordnungsamt am Montag auf Anfrage. Denn die Bilder, die aus den Cockpits alliierter Flieger aufgenommen wurden, können bisweilen genau Auskunft geben, wo heute noch gefährliche Blindgänger liegen.
Allerdings stellte die Stadt auch klar, dass so nicht alle Eventualitäten abzudecken seien. "Kleine Granaten werden natürlich nicht entdeckt", sagte Frank Müller, der - wie der Kampfmittelräumdienst - die Reaktion auf der Baustelle in Burg heraushob. Die Kollegen dort hätten die Granate bis zum Eintreffen der Experten bewacht, hieß es aus dem Rathaus, wo man hofft, dass die Arbeiten jetzt störungsfrei weitergehen.
Diese sieht Bauleiter Karsten Ditscheid von den Technischen Betrieben "im Großen und Ganzen" gut auf dem Weg. "Wir liegen einigermaßen im Zeitplan, obwohl es in der Sommerpause geknirscht hat", sagte Ditscheid. Ziel ist es, bis Ende 2017 insgesamt 357 Bohrpfähle mit einem Spezialgerät rund 7,50 Meter tief im felsigen Untergrund zu versenken.
"Wenn wir vier Bohrpfähle pro Tag in den Boden treiben, schaffen wir das", rechnete Karsten Ditscheid vor. Damit keine Verzögerungen eintreten, starten die Arbeiten montags bis freitags um 7 Uhr. Dann ist die Ortsdurchfahrt bis 18 Uhr komplett gesperrt. Zurzeit gehen die Verantwortlichen davon aus, die Sperrungen im Frühjahr 2018 abschließen zu können. Das Ende der Gesamtmaßnahme ist für 2019 vorgehen.