Solingen Experten arbeiten Halfeshof-Historie auf

Solingen · Der LVR stellt diese Woche eine Studie vor, die sich mit der Geschichte seiner Jugendeinrichtungen in den Jahren 1945 bis 1975 beschäftigt. Betroffene haben bis heute ganz unterschiedliche Erinnerungen an ihre Zeit im Solinger Halfeshof.

Der Halfeshof wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1911 eröffnet. Die damaligen Konzepte haben mit moderner Pädagogik nichts gemein.

Der Halfeshof wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1911 eröffnet. Die damaligen Konzepte haben mit moderner Pädagogik nichts gemein.

Foto: Hogekamp

Das Tor zum Solinger Halfeshof fiel scheppernd ins Schloss - und in diesem Moment kam es dem kleinen Jungen fast so vor, als würde er noch einmal die Stimme seines Vaters hören. Der war 20 Jahre zuvor selbst in einem Kinderheim untergebracht gewesen. Und später hatte der Vater immer dann, wenn der Sohn mal wieder genervt hatte, jene Geschichten von den "großen, kräftigen Männern" erzählt, vor denen es angeblich kein Entkommen gab, wenn man erst einmal in ihre Fänge geraten war.

Seit diesem Tag 1981, als der kleine Junge in den Halfeshof kam, sind mittlerweile 37 Jahre vergangenen. Das große Tor existiert schon lange nicht mehr. Und die gefürchteten Erzieher, vor denen der damals Elfjährige zunächst panische Angst gehabt hatte, erwiesen sich am Ende auch noch als ganz gute Pädagogen. Was allerdings nicht immer so war. Denn noch bis tief in die Nachkriegszeit hatten Kinderheime wie der Halfeshof einen teilweise ausgesprochen schlechten Ruf - weswegen der Landschaftsverband Rheinland (LVR) als heutiger Träger nun eine Sudie hat erstellen lassen, in der unter anderem die Geschichte der Solinger Einrichtung aufgearbeitet wird.

"Die Untersuchung umfasst die Nachkriegsjahre zwischen 1945 sowie 1975", sagte jetzt eine Sprecherin des Landschaftsverbandes auf Anfrage unserer Redaktion. Vorgestellt werden soll die wissenschaftliche Studie, für die die Autoren über mehrere Jahre Forschungen angestellt haben, am kommenden Donnerstag.

Dabei waren gerade die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg im Halfeshof in gewisser Weise zwiespältig verlaufen. Auf der einen Seite wurden nämlich ab der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre sowie unter der Leitung von Ewald Nevries erstmals neue Konzepte umgesetzt, die beispielsweise das Ziel hatten, ein pädagogisches System zu schaffen, das auf "Selbsterziehung" setzte. Auf der anderen Seite dauerte es aber noch viele Jahre, ehe der vormals herrschende Geist endgültig verschwand, die damals noch als "Schwererziehbare" bezeichneten Kinder sowie Jugendliche mit ihren Problemen ernst genommen wurden.

Eröffnet worden war der Halfeshof als "Erziehungsanstalt für evangelische Jungen" im Jahr 1911, nachdem der Provinzialverband der preußischen Rheinprovinz als Vorgänger des LVR fünf Jahre zuvor den Startschuss für den Bau der Einrichtung gegeben hatte. Dabei hatte der Halfeshof der Jetztzeit mit der damaligen Drillanstalt für Jugendliche, die auffällig geworden waren, aber kaum etwas gemeinsam - was lange so blieb.

Denn nachdem im Ersten Weltkrieg fast alle Mitarbeiter zum Militär eingezogen worden waren und sich auch viele der Jugendlichen freiwillig zum Einsatz an der Front meldeten, wurde der Halfeshof in der Zeit des "Dritten Reichs" mehr und mehr zu einem Ort der nationalsozialistischen Terrorherrschaft. So wurden in Solingen unter anderem Zwangssterilisationen durchgeführt.

Ein Erbe, an dem die Einrichtung schwer zu tragen hatte. Zumal die erzieherischen Methoden auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch viele Jahre ausgesprochen hart blieben. So mussten die Kinder, die fast alle aus schwierigen familiären Verhältnissen kamen, in der heimeigenen Landwirtschaft schuften. Und ein ehemaliger Bewohner des Halfeshofes schilderte erst in der zurückliegenden Woche seine Erfahrungen, die er in den 1980er-Jahren dort machte. Es habe damals weiterhin Prügel gegeben, obwohl dies natürlich längst schon verboten war.

Andere hingegen verbinden mit ihrer Zeit im Halfeshof bessere Erinnerungen. Wie etwa der kleine Junge, hinter dem sich 1981 das Tor der Einrichtung geschlossen hatte. Insgesamt sieben Jahre, bis 1988, blieb er in der Einrichtung. Später ergriff er als junger Mann selbst einen sozialen Beruf. Eine Entscheidung, die vielleicht auch mit der Zeit im Halfeshof zusammenhängt.

(or)
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