Solingen Fachkräfte wie ein rohes Ei behandeln

Solingen · Die Peiniger Personalberatung aus dem Lindgesfeld sieht aktuell einen extrem schwierigen Arbeitsmarkt.

 Fachkräfte sind nur schwierig zu bekommen, sagt Personalexpertin Anke Peiniger.

Fachkräfte sind nur schwierig zu bekommen, sagt Personalexpertin Anke Peiniger.

Foto: Stephan Köhlen (Archiv)

Kaufmännische Angestellte in Teilzeit, die insbesondere vormittags arbeiten wollen, gibt es derzeit sehr viele. "Hier überwiegt eindeutig die Zahl der Bewerber gegenüber den Stellen", sagt Personalberaterin Anke Peiniger. In allen andere Bereichen auf dem Arbeitsmarkt sieht es dagegen zumindest für die Arbeitgeber düster aus: "Es ist extrem schwierig, Fachkräfte vor allem für unsere mittelständischen Unternehmen zu bekommen", sagt Peiniger mit Blick auf fast alle Branchen.

Im Handwerk sind Elektriker oder Klempner/Installateure gesuchte Fachkräfte, im technischen Bereich sind es Werkzeugmacher, aber auch Ingenieure sowie kaufmännische Spezialisten oder Kräfte für die IT-Branche sind nur schwer zu bekommen beziehungsweise zu vermitteln. "Der Arbeitsmarkt gestaltet sich extrem schwierig, und der Mittelbauch der Qualifikationen — nicht ungelernt, aber auch nicht diplomiert und promoviert — bricht zunehmend weg. Und es kommt nichts nach", erklärt die Chefin der Peiniger Personalberatung GmbH.

Ohnehin sieht die Personalexpertin stagnierende Arbeitslosenzahlen. "Der Bodensatz ist erreicht, das wird auch so bleiben", schätzt Anke Peiniger. Sie ist seit gut 40 Jahren im Personalgeschäft tätig, kennt "alle Höhen und Tiefen des Arbeitsmarktes" und meint: "Die jetzige Situation ist wie in den 1970er Jahren. Nur damals war es nicht das Problem, so viele spezialisierte Fachkräfte zu brauchen. Vielmehr gab es einen Verschiebebahnhof — "wir klauten uns gegenseitig die Leute". Beschäftigte wechselten die Stelle, weil sie in einem anderen Betrieb vielleicht 50 Pfennig mehr die Stunde verdienen konnten. An nicht passenden Qualifikationen oder auch zu hohen Gehaltsforderungen scheitert heutzutage die ein oder andere Vermittlung. Von daher kann es mitunter rund ein halbes Jahr dauern, bis Anke Peiniger und ihre Mitarbeiter im Auftrag eines Kunden eine Stelle adäquat besetzen können.

Damit dies klappt, ist neben vielen guten Kontakten ein gut funktionierendes Netzwerk erforderlich und vor allem Nachhaltigkeit. "Wir raten hin und wieder auch einem wechselwilligen Arbeitnehmer ab und sagen, bleib wo du bist", erklärt Peiniger mit Blick auf Gehaltsvorstellungen, die im Mittelstand einfach zu hoch seien.

Auch die Struktur in den Unternehmensführungen haben sich gegenüber früher verändert. Führungskräfte oder Abteilungsleiter haben heute zum Teil ein weitaus höheres technisches Wissen als der Chef, der vielleicht Spezialist im kaufmännischen Bereich ist oder umgekehrt und nicht alle technischen beziehungsweise kaufmännischen Details kennt. "Wichtig sind ein sehr gutes Betriebsklima, und es muss die Möglichkeit geben, den Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten einzuräumen. So kann man die Mitarbeiter ans Unternehmen binden", sagt Anke Peiniger.

Hier müssten Arbeitgeber noch mehr tun, die Bindung der Beschäftigten ans Unternehmen sei äußerst wichtig, man müsse sozusagen nicht nur die hoch qualifizierten "Mitarbeiter behandeln wie ein rohes Ei", weiß Peiniger. Das spreche sich herum, und von daher wird eine Stellenbesetzung in einem solchen Betrieb glatter über die Bühne gehen als in anderen Firmen, die eben nicht auf Bedürfnisse von Arbeitnehmern eingehen.

Vorbei sind auch die Zeiten, in denen ein Chef bei einem Bewerbungsgespräch die Frage stellen konnte: "Warum soll ich Sie einstellen?"

"Heute ist das umgekehrt, der qualifizierte Facharbeiter fragt, warum soll ich zu Ihnen kommen?", erzählt Anke Peiniger aus der Praxis.

Handlungsbedarf sieht sie mit Blick auf gut Qualifizierte, die bereits in Rente sind und eigentlich noch ein bisschen hinzuverdienen wollen. "Hier gibt es ein riesiges Potenzial an Fachkräften. Um das zu heben, müssten von der Politik aber die Hinzuverdienstmöglichkeiten sowie die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für Rentner geändert werden", sagt Peiniger.

(RP)
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