Solingen Filmklassiker begeisterte auch als Bühnenstück

Solingen · "Die Reifeprüfung" im Pina-Bausch-Saal.

Meist geht es umgekehrt, Romane oder Bühnenstücke werden zu mehr oder weniger erfolgreichen Filmen. Bei "Die Reifeprüfung" ist das anders. Charles Webb veröffentlichte 1963 seinen gesellschaftskritischen Roman, Hollywood macht ein Drehbuch daraus, der Film war der Beginn der internationalen Karriere von Dustin Hoffmann. Der Soundtrack wurde von Simon and Garfunkel eingespielt, Mike Nichols bekam 1968 den Oscar für die beste Regie.

Mit der Fassung des britischen Dramatikers Terry Johnson ist "Die Reifeprüfung" endgültig auch auf der Bühne angekommen, die Aufführung des Altonaer Theaters im gut besuchten Pina-Bausch-Saal löste einen Begeisterungssturm aus. Eva Hosemann hat das Stück im sehr flexiblen Tournee-Bühnenbild von Stephan Bruckmeier flott inszeniert. Die bekannte Jazz-Lady und Musicalinterpretin Helen Schneider spielt in einer reinen Sprechrolle jene Mrs. Robinson, die mehr oder weniger aus einer Laune und sexueller Frustration heraus den jungen Benjamin verführt.

Ben Braddock, brillant und beeindruckend eindringlich interpretiert von Johannes Merz, hat eben seinen erfolgreichen College-Abschluss hinter sich, ein Stipendium im Gepäck und weiß mit seiner plötzlichen Freiheit nichts anzufangen. Ausgerechnet Mr. Robinson (Josef Tratnik) riet ihm, sich vor der Ehe die Hörner abzustoßen, so beginnt Ben die Affäre mit dessen Ehefrau, die doppelt so alt ist wie er, sich aber um keine Konventionen schert. Sie wird zur rein sexuellen Angelegenheit, die zwar einige Wochen anhält, aber nie ist Liebe im Spiel. Diese entwickelt Benjamin mehr oder weniger aus Zufall aber zu Elaine, der Tochter der Robinsons, kongenial gespielt von Laura Uhlig. Benjamin, der bisher nicht weiß, wie es mit seinem Leben in Zukunft weiter geht, hat plötzlich ein Ziel vor Augen, und verfolgt es zäh und einfallsreich. Er sucht immer wieder die Nähe zu Elaine, diskutiert mit ihr, und gesteht ihr seine Liebe. Mrs. Robinson antwortet auf seine Ehepläne mit offenem Hass, schlimmer noch der tobende Ehemann, der inzwischen vom Seitensprung seiner Frau erfahren hat.

Auch seine Eltern, gespielt von Anja Topf und Harald Maack, haben kein Verständnis für ihren Sohn. Inzwischen hat Elaine erkannt, dass sie bisher immer am Gängelband ihrer Eltern geführt wurde, das "Mäuschen" bricht aus, und findet in dem Antihelden Benjamin eine wahrhaft verwandte Seele, beide schäkern nach der heimlichen Hochzeit mit den Spielen ihrer Kindheit.

Mehrere fulminante Auftritte hatte Samantha Hanses als Stripperin, Hotelangestellte und Pastorin. Auf das dramatische Schlussbild des Films muss der Zuschauer im Theater leider verzichten, dafür erlebt er in den vielen kurzen Bildern dieses Schauspiels die Verwandlung von der Komödie zum Drama und wieder zurück - deutlich intensiver, als es der Film vermag.

Am Ende gab es langen, dankbaren Applaus für das gesamte Ensemble.

(wgü)
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