Solingen Freddie Mercury wäre stolz gewesen

Solingen · Mit einem tollen gemeinsamen Konzert mit dem Jugendsinfonieorchester der Musikschule im Theater verabschiedete sich das Jugendorchester Ness Ziona aus der Klingenstadt.

Leicht hat er es gar nicht gehabt unter Stalin: Gängeleien und Schikanen waren an der Tagesordnung. Gerade deshalb sehen viele im brutal-grellen Scherzo der 10. Symphonie von Dimitri Schostakowitsch seine persönliche Abrechnung mit dem Diktator. Aber er konnte auch anders. Etwa in seinen subtilen Jazz-Suiten. Da applaudierte einerseits die Partei ob der eingängigen Melodik, andererseits lachten sich die Kenner und Freunde in Moskau oder Leningrad still ins Fäustchen darüber, wie geschickt Schostakowitsch die Musik des Klassenfeindes den Genossen untergejubelt hatte.

Das wohl bekannteste Stück daraus ist wohl der 2. Walzer aus der 2. Jazz-Suite. In einer grandiosen Aufführung am Mittwochabend im Pina-Bausch-Saal des Theaters bildete er den Abschluss des gemeinsamen Konzertes des Jugendsinfonieorchesters Solingen und des Jugendorchesters aus Ness Ziona. Unter der Leitung von Rotem Weinberg boten die beiden Orchester, die dieses Schlussstück zusammen spielten, eine hinreißende Leistung.

So schwungvoll fegte der Walzer durch den Saal, dass er glatt für das jubelnde Publikum wiederholt werden musste. Ein schöner Abschluss eines tollen Konzertes und ein ebenso schöner Abschluss für die jugendlichen Musiker aus der israelischen Partnerstadt Ness Ziona. Denn gestern ging es zum Frankfurter Flughafen und zurück in die Heimat. Eine Woche waren die 38 Jugendlichen und ihre vier Betreuer Gäste der Musikschule. "Vor anderthalb Jahren waren wir mit 55 Musikern des Jugendsinfonieorchesters in Israel und haben dort zwei Konzerte gegeben", schwärmt Musikschulleier Ulrich Eick-Kerssenbrock heute noch. Nun war der Gegenbesuch dran. "Die jungen Leute waren bei Gastfamilien untergebracht. Und jeden Abend haben wir alle oft noch zusammengesessen." Eine schöne und freundschaftliche Stimmung beschreibt der Musikschulleiter. Selbstredend gab es viel Programm für die Jugendlichen aus Israel. Natürlich die Solinger Klassiker: Schloss Burg und Müngsten. Es wurde aber auch der alte jüdische Friedhof besucht und der Verlegung von "Stolpersteinen" zugesehen. Und wenn man als Musiker schon einmal in der Gegend ist, muss es auch nach Bonn gehen — in Beethovens Geburtshaus. Und ist man schon in Bonn, ist der Drachenfels auch nicht mehr weit.

Musikalische Höhepunkte waren der Tag der Offenen Tür am Samstag in der Musikschule — und natürlich das gemeinsame Konzert im Theater. Beethoven stand zwar nicht auf dem Programm, dafür aber andere spannende Musik. Das Jugendorchester Ness Ziona unter Leitung von Alexander Fialko ist ein reines Blasorchester mit Schlagzeugern — aber was für ein Orchester! Besonders beeindruckten die jungen Solisten an den Klarinetten, die eine blendende Leistung ablieferten. Da wirbelten die Töne nur so über dem temperamentvoll stampfenden Orchester, etwa bei den Chassidischen Themen von Katz.

Auch in der Musik von John Williams zu "Schindlers Liste" konnte ein famoser Klarinetten-Solist glänzen. Horn, Xylophon und Saxophon bestimmten den flirrenden Anfang der "Bohemian Rhapsody" von Freddie Mercury. Schwungvoll gelang den Musikern eine frech-fröhliche Interpretation. Aber auch die Solinger ließen sich nicht lumpen. Unter Leitung von Ulrich Eick-Kerssenbrock konnte das 60 Musiker starke Jugendsinfonieorchester etwa bei der Filmmusik zu "Harry Potter und der Halbblutprinz" einen richtig satten Sound entwickeln. Der imponierte auch bei drei beschwingten Sätzen aus Bizets Musik zum Schauspiel "L'Arlésienne". Besonders beeindruckten auch hier die guten Solo-Leistungen aus den eigenen Reihen, etwa Harfe und Flöte im Menuett.

Vor rund fünfeinhalb Jahren wurde das Jugendsinfonieorchester der Musikschule "wiederbelebt". Es hat sich mittlerweile zu einem beachtlichen Klangkörper entwickelt.

(crm)
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