Solingen "Gemeinsam sind wir stark"

Solingen · Sozial, interkulturell, global: Beim 15. Fest "Leben braucht Vielfalt" präsentierten sich rund 100 Vereine in der City.

 Leben braucht Vielfalt: Caritas-Direktor Dr. Christoph Humburg mit Clown Willy und Hanna Reinefeld vom Verein "Tischlein Deck Dich".

Leben braucht Vielfalt: Caritas-Direktor Dr. Christoph Humburg mit Clown Willy und Hanna Reinefeld vom Verein "Tischlein Deck Dich".

Foto: Stephan Köhlen

"Reicht dir das Wasser bis zum Hals, denke an den, auf dessen Schultern du stehst." Das schrieb der bis heute mit Geheimnissen umgebene Schriftsteller B. Traven. Vielen steht bei uns heute das Wasser nicht mal bis zur Brust. Manche bekommen nicht mal nasse Füße. Der Wohlstand der westlichen Welt - oder zumindest der Nutznießer - gründet auf der Armut des Restes der Welt. Das fängt bei Billigkleidung aus Bangladesch an und hört nicht beim Ausnutzen des Kaffeebauern in der sogenannten Dritten Welt auf. Geht es uns dabei tatsächlich gut? "Von Seiten der Bundesregierung wird gesagt, dass es uns gut gehe", sagt Ulla Feldhaus, ehemalige Lehrerin sowie langjährige Bürgermeisterin, Bundesverdienstorden-Trägerin und Vorsitzende des Vereins "Tischlein deck dich". Mit ihrem Stand und ihren Kolleginnen steht sie am Alten Markt, backt Waffeln und informiert.

Rund 100 Vereine haben von dort bis auf den Fronhof am Samstag von 11 bis 22 Uhr ihre rund 70 Stände aufgebaut. Auf zwei Bühnen am Markt und am Fronhof gibt es bunte Unterhaltung nonstop. Das 15. Fest "Leben braucht Vielfalt" lässt ein munteres Leben in der Innenstadt entstehen - interessiert und spannendend - jenseits des Konsums. "Meine, deine, eine Welt" lautet das Motto.

"In Sachen Nachhaltigkeit ist es wichtig, zu schauen, was man auf lokaler Ebene machen kann", sagt Anne Wehkamp, Leiterin des Stadtdienstes Integration. "Es geht nicht nur um faire Handelsbeziehungen, sondern auch darum, was wir als Stadtgesellschaft sind und leisten können." Dazu gehört der rund 180 Mitglieder starke Verein "Tischlein deck dich". Trotz aller Beteuerungen geht es nicht allen gut. Feldhaus: "Im Offenen Ganztag an den Schulen sorgen wir dafür, dass rund 680 Kinder mittags ein Essen bekommen." Denn nicht alle Eltern können sich den monatlichen Beitrag leisten. "Ich bin viele Jahrzehnte Grundschullehrerin gewesen, und das Schlimmste war immer, wenn ein Kind gegessen hat und ein anderes musste zuschauen", sagt Hanne Reinefeld, stellvertretende Vorsitzende. Trotz vieler Spenden gibt es Probleme. Feldhaus: "Wir bekommen jetzt auch viele Anfragen aus Kindertagesstätten. Aber das schaffen wir im Moment noch nicht." Am Stand schräg gegenüber steht Memduh Dilbas. Das Vorstandsmitglied der Alevitischen Kulturgemeinde bietet mit seinen Mitstreitern türkische Pizza, Salat oder Gebäck an. Rund 250 der etwa 1000 in Solingen lebenden Aleviten gehören dem 1994 gegründeten Verein an. "Leben braucht Vielfalt", bringt es Dilbas auf den Punkt. "Gemeinsam sind wir stark - nicht gegeneinander." Im Hintergrund tanzen und singen Jugendliche der alevitischen Gemeinde auf der Bühne am Alten Markt. Fast gleich daneben geht es alten Schallplatten an den Kragen. Kulturfrevel? "Nein, diese alten Platten, die nicht mehr brauchbar sind, haben wir von einem Händler aus Wuppertal geschenkt bekommen", sagt Julia Rabenschlag vom Verein "Wir in der Hasseldelle". Der Quartiersverein kümmert sich etwa um Hausaufgabenhilfe und soziale Belange im Viertel.

Kostenlos können Kinder aus alten Schallpatten von "Münchhausens Abenteuern" über "Lustige Musikanten" bis "Joe Goods Hammond-Party" Schalen und Pin-Wände basteln. Direkt unter dem Turm der Stadtkirche hat sich Hans-Reiner Häußler mit den seinen postiert. Hier informiert die Solinger Freiwilligen-Agentur über ihre Arbeit. "Wir bekommen viele Hilferufe", sagt Häußler. "Aber im Vergleich zum Vorjahr sind die Ehrenamtlichen um fast 50 Prozent zurückgegangen." Es gibt auch viele Schüler die interessiert sind, aber das fast ganztägige Schulsystem lässt ihnen keine Zeit.

Neben vielen Informationen kommt auch das kulinarische Angebot nicht zu kurz. Wie wäre es mit einem Gözleme beim Türkischen Kulturverein als Vorspeise: Blätterteig mit Spinat und Schafskäse. Oder Falafel vom Islamischen Zentrum. Dazu ein Bier vom benachbarten Portugiesischen Kulturverein. Wenn man dann noch weiter Appetit hat, bietet der Serbische Volksverein gleich nebenan Gegrilltes oder Kuchen an. "1972 haben wir uns gegründet und mittlerweile rund 150 Mitglieder", sagt Dragan Vuckovic. "Wir wollen unsere Kultur präsentieren und Freundschaften schließen."

Die Vielfalt, die sich bei diesem Fest präsentiert, gibt Anne Wehkamp recht: "Das ist ein Pfund, mit dem die Stadt wuchern kann."

(crm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort