Solingen Gewalt trifft nicht immer nur die anderen

Solingen · 30 Jahre besteht die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Solingen. Inzwischen wurde ein umfassendes Netzwerk der Hilfen aufgebaut.

Ein brutaler Mord, ein Mädchen, das über zehn Jahre vom eigenen Vater missbraucht wurde, zwei Fälle, die die soeben gegründete Solinger Außenstelle der Opferschutzorganisation beschäftigten - und die ebenso wie die Betreuung der Opfer des Brandanschlags auf das Haus der Familie Genc in Erinnerung geblieben sind - auch nach 30 Jahren.

Rund 50 Menschen werden im Jahr von den zehn ehrenamtlich tätigen Mitarbeitern des Weissen Rings um Leiterin Hildegard Hergeth-Steinbach und ihre Stellvertreterin Gisela Thoms betreut. "Das können Opfer häuslicher Gewalt sein oder von Sexualdelikten, aber auch von Einbrüchen", sagte Gisela Thoms gestern bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen im IPA Haus der Polizei an der Locher Straße. Verändert hat sich in den vergangenen 30 Jahren kaum etwas. "Außer, dass heute mehr Sexualdelikte anzeigt werden", ergänzte Mitarbeiter Ralf Stetza. Für viele sind die Ehrenamtler beim Weissen Ring die ersten, denen sich Opfer von Kriminalität anvertrauen. "Die psychische Betreuung ist oft ein Manko, die Wartezeiten auf Therapien sind viel zu lange", weiß Gisela Thoms, die in ihrem Beruf als Rechtsanwältin oft Opfer von Gewalttaten vor Gericht vertritt. Zwar sind die Mitarbeiter beim Weissen Ring kein Ersatz für eine Therapie, doch sie können vermitteln, denn es wurde ein weites Netzwerk der Hilfen aufgebaut. Eng zusammengearbeitet wird mit der Polizei, zuständigen Behörden bei der Stadt oder anderen Beratungsstellen. "Es ist ganz unterschiedlich, ob die Opfer über die Tat sprechen wollen oder das Thema lieber ausklammern", weiß Gisela Thoms. Zu helfen versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Weissen Rings mit viel Einfühlungsvermögen, Lebenserfahrung und gesundem Menschenverstand. So sind auch keine besonderen Vorkenntnisse nötig für eine Mitarbeit, die Freiwilligen werden für ihre Aufgabe geschult.

Hildegard Hergeth-Steinbach erinnerte an das gut funktionierende Netzwerk der Hilfe, das sich der Weisse Ring in den vergangenen Jahren aufgebaut hat: "Wir sind nur ein kleines Rädchen, aber ohne uns geht es nicht."

Bundesvorsitzende des Weissen Rings ist die ehemalige Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter, die in ihrer Ansprache daran erinnerte, dass jeder das Opfer einer Straftat werden kann, egal in welchem Alter, egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht er kommt. "Es trifft nicht immer nur die anderen, eine Straftat kann Menschen mitten aus dem Leben reißen." Wer Opfer einer Straftat wird, müsse damit leben, dass die Berechenbarkeit des Lebens gestört ist. Die mehr als 200 000 Menschen, die pro Jahr Opfer von Kriminalität werden, dürften nicht alleine gelassen werden, hier leiste der Weisse Ring wertvolle Arbeit.

Der Weisse Ring in Solingen wurde von Kriminalhauptkommissar Helmut Hergeth und seiner Frau Bruni gegründet, Tochter Hilfegard wuchs auf mit dem Engagement für die Hilfsorganisation, seit dem Jahr 2003 leitet sie die Außenstelle, Gründer Helmut Hergeth, der den Weissen Ring in Solingen von 1985 bis 2000 leitete, starb 2011.

Bundesweit feiert der Weisse Ring im kommenden Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Unter den betreuten Menschen sind die Opfer von Handtaschenraub ebenso wie angehörige von Mordopfern. In einigen Fällen können Erstgespräche bei Therapeuten oder Anwälte erfolgreich vermittelt werden durch den Weissen Ring.

(RP)
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