Solingen Hausärzte-Mangel wird sich verschärfen

Solingen · Schon jetzt finden viele Hausärzte, die in den Ruhestand gehen wollen, keine Nachfolger für ihre Praxen. Das Ärztenetzwerk "solimed" diskutiert bereits, was zu tun ist, wenn die Not wächst.

Eigentlich will der Hausarzt schon längst in den Ruhestand gehen. Eigentlich - denn er findet keinen Nachfolger, und die hohe Anzahl von Patienten kann sein Praxispartner alleine unmöglich stemmen. Der Hausarzt hat keine Wahl: Er arbeitet weiter. Dr. Stephan Kochen kennt etliche solcher Geschichten aus der Solinger Ärzteschaft. Sie belegen vor allem eins: Dass der Hausärzte-Mangel längst auch in der Klingenstadt angekommen ist.

"Das Problem ist größer, als bisher in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen ist. Und es ist größer, als ich selbst vor ein paar Jahren erwartet hätte", sagt Dr. Stephan Kochen, ärztlicher Geschäftsführer des Qualitätsnetzwerks "solimed". Er selbst kennt einige Kollegen, die aufhören wollen und keinen Nachfolger finden. Acht Hausärzte haben nach seiner Zählung in den vergangenen zweieinhalb Jahren aufgehört - nur zwei haben einen Nachfolger gefunden.

Das Problem: Überall im Land fehlen junge Mediziner, die Hausärzte werden wollen. Die Konsequenz: Praxen müssen schließen, es entstehen Versorgungslücken. "Viele Patienten haben große Probleme, anderswo unterzukommen", sagt Dr. Stephan Kochen, Hausarzt und Facharzt für Innere Medizin. Die Belastung in den Praxen wächst. Derzeit klappt die Versorgung in Solingen noch gut und liegt laut neuesten Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein immer noch über 110 Prozent, womit die Stadt weiterhin für die Niederlassung weiterer Hausärzte gesperrt ist. "Im Moment sind es noch genügend Hausärzte, doch es werden weniger. Es kann sein, dass auch Solingen irgendwann unter die 110 Prozent rutscht", sagt Dr. Martin le Claire, Vorstandsmitglied der Kreisstelle Solingen der KV Nordrhein. In seiner Praxis in der Innenstadt merke er schon jetzt einen verstärkten Zulauf durch Schließungen anderer Praxen.

Bereits in 15 Jahren, prognostiziert der Versorgungsreport, den die KV Nordrhein 2013 herausgegeben hat, werden in Solingen 17 Hausärzte fehlen. Und schon in den kommenden fünf Jahren, ist Dr. Kochen überzeugt, werde sich das Problem verschärfen: "Denn 35 Prozent der Solinger Ärzte sind älter als 58 Jahre." 53,88 Jahre waren die rund 100 Hausärzte in Solingen 2013 im Durchschnitt alt. "Der Hausärzte-Mangel ist ein Zukunftsproblem. Doch die Zukunft hat schon begonnen", sagt Dr. Kochen.

Und: Ein entscheidender Teil dieser Zukunft sind junge Ärzte. "Viele von ihnen wollen nicht mehr das wirtschaftliche Risiko einer Selbstständigkeit eingehen, wollen nicht zwölf Stunden arbeiten und dann nachts noch angerufen werden", weiß Kochen. Stattdessen wollten sie 40-Stunden-Wochen und suchten gezielt das Angestelltenverhältnis. "Die Attraktivität des Hausarztberufes ist heute nicht mehr so gegeben wie früher. Viele Ärzte bleiben in Kliniken, viele werden außerhalb des medizinischen Berufsfelds tätig", weiß auch Dr. Martin le Claire, selbst Internist und Hausarzt. Eine Rolle dabei spiele auch, dass heute zwei Drittel der Ärzte Frauen sind. "Frauen haben im Schnitt eine andere Lebensplanung, die mit der Niederlassung oft schwer zu vereinbaren ist."

Die Mitglieder des Ärztenetzwerks "solimed" diskutieren schon jetzt, was zu tun ist, wenn die Not wächst. "Eine Lösung wären überörtliche Management-Gesellschaften, die Ärzte anstellen", so Kochen. Diese Gesellschaften, ähnlich wie Medizinische Versorgungszentren, seien jedoch schwer wirtschaftlich zu betreiben. "Fest steht, dass wir Lösungen finden müssen, um den Wünschen junger Ärzte entgegenzukommen." 2013 hat "solimed" gemeinsam mit der Ärztekammer Nordrhein bereits einen Weiterbildungsverbund gegründet, der junge Ärzte bei der Facharzt-Ausbildung zum Allgemeinmediziner unterstützt. "Das Interessante ist, dass die, die mal reinschnuppern, oft auch dabei bleiben", so Dr. Stephan Kochen. In der heutigen Ärzteschaft gebe es viele Spezialisierungen. "Doch uns fehlt der Sockel, den die Hausärzte bilden."

(RP)
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