Solingen Heiterer Blick auf das Menschsein und die Liebe

Solingen · Kaum hatte er am Tisch Platz genommen, musste der Autor bereits zu einigen bohrenden Fragen Stellung nehmen, die sein Vorredner aufgeworfen hatte: Wie autobiographisch denn der vorgestellte Roman angesichts zahlreicher Parallelen zum Leben des Verfassers nun wirklich sei und was es mit dem Futur II am Ende des Werkes auf sich habe, jenem selten verwendeten Fall der vollendeten Zukunft, in dem jemand etwas "getan haben wird."

Das alles wollte Ingo Klaus, Ohligser Buchhändler und Veranstalter der beliebten Schatzinsel-Lesungen, vom Schweizer Bestsellerautor Alex Capus wissen. Der war am Freitagabend in die evangelische Kirche an der Wittenbergstraße gekommen und hatte sein neues Buch "Das Leben ist gut" im Gepäck.

"Ich muss noch einmal darauf hinweisen, dass es Fiktion ist, schließlich will ich meine Ehe ja noch weiterführen", schob er einem Kapitel über die tiefe, aber nicht konfliktarme Beziehung seines Protagonisten voran. Der heißt Max und betreibt, wie Capus selbst, eine Bar in einem kleinen Ort, ist seit zweieinhalb Jahrzehnten verheiratet und Vater dreier Söhne. Einziger Unterschied zum Autor: Capus selbst ist sogar fünffacher Vater. "Aber das hätte mir kein Leser abgenommen", sagte der Schriftsteller verschmitzt.

Alles geht im Leben der Romanfigur scheinbar seinen gewohnten Gang - bis Ehefrau Tina beruflich nach Paris reist und Max zum ersten Mal in der Ehe ohne sie auskommen muss - ein Umstand, den Capus gleichermaßen eindringlich wie pointiert beschreibt: "Wer soll Dir denn in Paris die Glühbirnen wechseln?", lässt er Max besorgt seine Herzensdame fragen.

Der Ich-Erzähler des Romans sinniert in Abwesenheit der Ehefrau über das gemeinsame Leben, setzt sich mit dem Szenario eines möglichen Liebhabers in der Fremde auseinander - und erkennt gerade angesichts der räumlichen Trennung, wie sehr er seine Ehefrau liebt. Zwischen den Auszügen seines Romans berichtete Capus den rund 120 gebannten Zuhörern von seinen besonderen Begegnungen im Alltag als Gastwirt - oder sind es doch die der Hauptfigur Max? Da ist der Verschwörungstheoretiker Vincenzo, der das Trennen von Buntglas an den Flaschencontainern nur für eine Schikane der Obrigkeit hält, um die Bürger zu konditionieren. Oder der türkische Nachbar, der sich ständig vor Erdbeben im Schweizer Mittelland fürchtet, nicht aber in seiner weitaus öfter von Erschütterungen heimgesuchten Heimat.

Capus spielte geschickt mit der Nähe seiner Hauptfigur zu sich selbst. So habe die Veröffentlichung seines Romans einen regelrechten Tourismus in seinen Heimatort Olten auf der Suche nach den Schauplätzen der Erzählung ausgelöst. "Und das Schlimmste ist: Die Leute haben alles gefunden", verriet Capus. Und was es mit dem Futur II auf sich hat, löste er auch auf: Es gehe um die Frage, ob eine Ehe die gleiche Tiefe haben könne, wie Freundschaften, die im Sandkasten entstanden sind. Capus gelangte zu einer optimistischen Schlussfolgerung: "Wenn wir lange genug zusammen bleiben, werden wir auch im Sandkasten gespielt haben."

(ied)
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