Solingen Helene Fischer ersetzt oft den Organisten

Solingen · Ungewöhnlicher Beruf auf dem Friedhof: Der ehemalige Diakon Hans Peter Barth arbeitet als Redner bei Trauerfeiern.

Es darf gelacht werden - auch auf dem Friedhof bei einer Beerdigung. "Lachen löst. Wenn ich sehe, wie glücklich mancher vom Friedhof geht, dann war es gut." Aber es gibt auch andere Momente. "Ein älteres Ehepaar war gerade nach Solingen gezogen und kannte noch keinen Menschen. Sie mussten hier ihren Sohn begraben. Als ich die beiden mit aufgespannten Regenschirmen alleine am Grab stehen sah, wäre ich am liebsten weggelaufen."

Hans Peter Barth weiß wovon er spricht. Er hat einen ganz besonderen Beruf, der eigentlich noch nicht einmal einen richtigen Namen hat. Trauerredner oder Freier Redner bei Trauerfeiern trifft es wohl am besten. Ein solcher Redner wird - wenn es die Angehörigen wünschen - vom Bestatter bestellt, wenn der Verstorbene in keiner Kirche Mitglied war. Denn dann wäre der Gemeindepfarrer zuständig. Wie aber kommt man zu so einer ungewöhnlichen Tätigkeit? "Ich würde es Fügung nennen", sagt der 71-Jährige. "Von Zuhause aus hatte ich eine richtige katholische Sozialisierung."

"Als meine Frau und ich 1970 an einem Sonntag nach Köln gezogen sind, haben wir nicht zuerst ausgepackt, sondern die Kirche gesucht,", schmunzelt Barth. Zuerst war der Maschinenbau-Ingenieur bei der Bundesbahn beschäftigt, dann bei der Caritas-Werkstatt für Behinderte in der Domstadt. "Auch das hat sich gut gefügt. Denn in einer Behindertenwerkstatt geht es ja nicht nur um Technik." Man ist auf besondere Weise direkt am Menschen dran. Bei einer Gelegenheit ist Barth als Diakon eingesprungen. "Da dachte ich, das könnte ich auch machen", es folgte die berufliche Umorientierung. Nach zweijähriger Ausbildung wurde Hans Peter Barth 1998 im Kölner Dom geweiht. Dann trat er als Diakon 1999 seine erste Stelle an in St. Suitbertus Weeg, später im neuen Seelsorgebereich Süd. Bei dieser Arbeit hat er natürlich auch Trauerfeiern gehalten. Kurz nach dem Umzug starb Barths Ehefrau. "Die Arbeit als Ständiger Diakon steht einer Neuverheiratung im Wege." Barth kündigte 2003 und heiratete wieder.

"Ich habe auf der Beerdigung eines Mannes gesprochen, der für die Solinger Bestatter ein Kühlhaus betrieben hat. Es waren natürlich alle Bestatter da." Und so ging es los. "Das hat gut eingeschlagen, zumal ich hier in Solingen ein richtiges Vakuum vorgefunden habe." Fünf bis sechs Beerdigungen stehen wöchentlich an. Seit einem Jahr macht auch seine Frau Julia mit, die ihre Arbeit als Reisekauffrau an den Nagel gehängt hat. "Was ich jetzt mache, ist ein sehr schöner Beruf, etwas sehr Sinnvolles und Menschliches, bei dem man erleben kann, dass sehr viel zurück kommt", sagt die 42-Jährige. Hans Peter Barth ergänzt: "Zuhören können ist hier sehr wichtig." Denn bevor eine Ansprache gehalten wird, steht der Besuch bei den Hinterbliebenen an. "Da komme ich meist als Wildfremder und gehe als guter Bekannter", erläutert der Diakon. "Vieles wird dann berichtet, was seit Jahren nicht mehr erzählt wurde, auch viel Intimes." Wenn etwa die 90-jährige Witwe verschämt erzählt, wie sie ihren Mann kennengelernt hat. Alltag, Familie, Urlaub, Hobby kennzeichnen den meisten Teil des Lebens. Aber zu diesem Leben können auch unschöne Seiten gehören wie etwa eine böse Scheidung. "Ich komme in das Haus und kann Atmosphäre schnuppern." So fügt sich für Barth langsam das Bild eines Menschen. "Manchmal könnte man fünf Stunden beim Kaffee sitzen und zuhören", sagt der Trauerredner. "Die Menschen wollen in dieser Situation an die Hand genommen werden." Im Mittelpunkt für Barth steht der Verstorbene. "Da ich als freier Redner an keine Konfession gebunden bin, kann alles so gestaltet werden, wie es sich der Verstorbene gewünscht hätte." Da tönt dann auch schon mal Rockmusik aus der Friedhofskapelle. Wenn kein Gebet gewünscht wird, gibt es bei Barth eine Schweigeminute. "Dann kann jeder, der möchte, für sich etwa das Vater-Unser beten." Dass sich die Friedhofskultur ändert, kann auch Hans Peter Barth in seiner langjährigen Tätigkeit feststellen. Stichworte sind: Urne und pflegefrei. "Das hat oft weniger mit Geld zu tun." Meist leben Angehörige gar nicht mehr in derselben Stadt. Der Weg zur Grabpflege wird zu weit.

Auch die Musik wandelt sich. Die Klassiker auf der Orgel werden immer mehr durch die CD ersetzt. "Statt ,Großer Gott, wir loben dich' höre ich viel öfter Helene Fischer auf dem Friedhof." Neben den Kommunalfriedhöfen ist Barth mittlerweile als Diakon auf fast allen evangelischen Friedhöfen akzeptiert. Nur manche Katholischen tun sich noch schwer damit. Am Grab ist dann Abschied vom Verstorbenen - auch für die Barths. "Wir reden natürlich daheim über die Menschen, aber nach der Bestattung ist das kein Thema mehr." Denn das wäre dauerhaft zu belastend.

Wichtig bleibt Hans Peter Barth der Trost für die Hinterbliebenen. "Wenn jemand beruhigt von einer Beerdigung kommt, kann ich zufrieden nach Hause gehen."

(RP)
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