Solingen Hilfe für die Menschen auf der Straße

Solingen · Alle zwei Tage fahren Heinz-Peter Petzak und seine Mitstreiter das Schachbrett in der Stadt an - mit warmem Essen und einem offenen Ohr für die Bedürfnisse der Menschen.

Als Edith Petzak den Deckel des schweren Topfes anhebt, zeichnet der heiße Dampf feine Wölkchen in die klirrendkalte Luft. Der Duft von Gulaschsuppe zieht über das eingeschneite Schachbrett neben den Clemens-Galerien, als Petzak am Samstagnachmittag die erste weiße Plastikschale füllt und über einen kleinen Tisch hinweg einem alten Mann reicht. "Danke", sagt der, "riecht gut." Nach und nach kommen weitere Menschen, Männer und Frauen, ein Jugendlicher, eine ältere Dame mit Hund, als hätten sie bereits darauf gewartet, dass die Petzaks vorfahren.

Portion für Portion aus dem Thermotopf geben Edith und Heinz-Peter Petzak - unterstützt von ihrer Freundin Sandra - raus. Sie schenken Kaffee aus Thermoskannen aus, mischen Tee an - und sind einfach da. Für ein Schwätzchen, für Fragen. Auf dem Rücksitz ihres Autos steht eine große Tasche mit gespendeter Winterbekleidung. "Die Sachen sind für einen jungen Mann, der auf der Straße lebt und nichts hat", sagt Heinz-Peter Petzak.

Seit November fährt das Ehepaar, das mit Freunden den Verein "Friends For All" gegründet hat, gemeinsam mit Unterstützern alle zwei Tage zum Schachbrett, um sich um die Menschen zu kümmern, die dort zusammenkommen. Vorher wird in der gerade einmal acht Quadratmeter großen Küche der Walder gekocht: Grünkohl, Hähnchensuppe und Gulasch hat Heinz-Peter Petzak, gelernter Metzger, in der vorigen Woche zubereitet, jeweils rund zwölf Liter. Dazu gab es immer Kaffee, Tee und frisches Obst. Es habe ein bisschen gedauert, bis die Menschen dort, diese gemischte Gruppe von Jungen und Alten, Gesunden und Kranken, Vertrauen gefasst hätten. "Aber mittlerweile haben sie gemerkt, dass wir wiederkommen und dass man mit uns reden kann", sagt der 56-Jährige. Sie seien keine Streetworker, "trotzdem wollen wir etwas für die Menschen machen".

Mit diesem Ziel haben sie auch im Mai ihren Verein gegründet. Zunächst mit sieben Mitgliedern, mittlerweile seien sie bei zehn. Über die Mitgliedsbeiträge und Spenden finanzieren sie ihre Einsätze, haben Thermoskannen und -kessel angeschafft, bezahlen die Einkäufe. "Unser Ansatz war, eine Art Kältebus zu schaffen. So etwas gibt es hier ja nicht mehr", sagt Petzak. Er weiß, wie es ist, wenn man nicht weiß, wo die nächste Mahlzeit herkommt, wenn die Kälte im Winter durch die Kleidung kriecht, und man keine warme Wohnung hat. Vor 35 Jahren hat er selbst für ein Jahr auf der Straße gelebt. "Die Erinnerung daran treibt mich an, dies alles zu machen." Die Erinnerung - und die Menschen, die er in den vergangenen Monaten kennengelernt hat. "Die Dankbarkeit ist sehr groß. Mehrere Leute hier haben uns bereits angeboten, uns beim zweiten Projekt des Vereins, der Pflege einer Parkanlage in Merscheid, zu helfen. Sie wollen etwas zurückgeben."

Die vergangenen Monate haben den Petzaks und ihren Mitstreitern noch etwas gezeigt: Dass sie gerne noch mehr tun würden. "Es wäre toll, wenn wir günstig an ein größeres Fahrzeug kämen." Auf lange Sicht möchte Petzak einen Wärmeraum in der City einrichten, wo die Menschen hinkommen können.

Bevor sie sich ihre Portion Gulasch holt, wirft eine 46-Jährige zehn Euro in die verplombte Spardose des Vereins. Sie sei auch Mitglied geworden, erzählt die Frau, die einen Job hat und doch zur Gemeinschaft am Schachbrett zurückkehrt. "Das ist ja unser Verein", sagt sie. Ein 49-Jähriger, der regelmäßig am Schachbrett ist, findet es fantastisch, dass es Menschen gebe, die sich kümmern: "Man freut sich einfach über ein warmes Süppchen".

(mxh)
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