Solingen Im Museum werden Bilder zu Musik

Solingen · Morgen öffnet in Gräfrath die Ausstellung "Pli Score Pli" mit Werken von Mary Bauermeister und Christian Jendreiko.

Die gleichmäßig angeordneten Gebilde aus Kieselsteinen scheinen über den aufgefalteten Kasten an der Wand hinauszuwachsen. Auch die unzähligen Punkte und Linien als wiederkehrende Motive in den Werken Mary Bauermeisters lassen sich nicht durch Rahmen oder sonstige Begrenzungen einengen - ebenso wenig wie die Künstlerin selbst: "Ich war mutig genug, meinen eigenen Weg weiterzugehen", sagt die 82-Jährige, die die deutsche Kunstszene der Nachkriegszeit mitprägte, und deren Schaffen auch in New York für Furore sorgte. Ab morgen sind Werke der Künstlerin aus der Zeit zwischen 1957 und 1967 auf zwei Etagen im Kunstmuseum zu sehen - im Rahmen der Sonderausstellung "Pli Score Pli".

Der Titel, in dem das französische Wort für "Falte" und der englische Begriff für "Partitur" auftauchen, spielt auf eine Komposition des im vergangenen Jahr gestorbenen Dirigenten Pierre Boulez an. Und die Beziehung zwischen Bildender Kunst und Musik ist auch ein zentraler Aspekt der Ausstellung. Besonders deutlich wird das etwa in dem aufgeklappten Baum, aus dem eine Partitur von Bauermeisters zeitweiligem Ehemann Karlheinz Stockhausen hervorlugt. Letztlich erinnern aber auch die übrigen Werke in ihrem Aufbau und den Variationen von Motiven an Partituren. Auf den ersten Blick sperrig entfaltet die Ausstellung bei näherem Hinsehen eine große Kraft und Tiefgründigkeit. Mathematische Ordnung wird immer wieder aufgebrochen durch scheinbar chaotische Elemente. Ebenso verhält es sich in den Zeichnungen Christian Jendreikos: Akkurat mit dem Lineal gezogene Linien, die auf den Betrachter fälschlicherweise wie vorgeplante Muster wirken, wechseln sich ab mit bunten Knäueln aus Fäden. Der 1969 geborene Jendreiko befasst sich mit dem Entwurf einer "algorithmusbasierten" Kunst. Bereichern wird er die Ausstellung auch durch Instrumentalaktionen. Animiert von sogenannten Aktionstexten, die Jendreiko verfasste, erzeugen die Akteure durch ihre Gestik an den Instrumenten Klänge. "Jeder Laut im Raum ist die Folge einer körperlichen Bewegung", erklärt der gebürtige Recklinghäuser. Instrumente und Apparaturen nehmen die Funktion von Installationsobjekten an.

"Es ist uns wichtig, zwei künstlerische Positionen einander gegenüberzustellen, die sich gegenseitig befruchten", sagt Gisela Elbracht-Iglhaut, stellvertretende Leiterin des Kunstmuseums. "Wie die Dinge harmonieren, ist ein Weltwunder", freut sich derweil Dr. Wilfried Dörstel, Kurator der Ausstellung. Dass die nun in Solingen ihren Platz gefunden hat, ist den Kontakten des Museums zum Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn zu verdanken: Dort leitete Dörstel gemeinsam mit dem gebürtigen Solinger Michael Stockhausen ein Praxisseminar über Mary Bauermeister, mit deren Arbeiten er sich seit langem befasst. Stockhausen, übrigens weder verwandt noch verschwägert mit dem berühmten Komponisten, hatte einst selbst am Kunstmuseum im alten Gräfrather Rathaus gearbeitet und stellte die Verbindung her. Unterstützung erhielten die Initiatoren der Ausstellung auch von Bonner Studenten. Mary Bauermeister, die heute im Oberbergischen lebt, wird im Rahmen von Führungen selbst Stellung zu ihrem Schaffen beziehen.

Dem Anspruch des Hauses, den Besuchern junge Kunst zu zeigen, widerspreche die Präsentation der Werke aus den späten 50er und 60er Jahren keineswegs, stellt Elbracht-Iglhaut klar: "Wenn man die Arbeiten vom Mary Bauermeister sieht, kann man nur sagen: Das ist wirklich junge Kunst."

(ied)
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