Solingen Immer mehr Gewalt gegen Uniformierte

Solingen · Die Zahl der Übergriffe auf Polizisten oder Zugbegleiter nimmt zu. Zuletzt registrierte die Polizei einen Anstieg um mehr als 15 Prozent. Dabei sind die konkreten Anlässe für Attacken und Beleidigungen oftmals erschreckend nichtig.

Der Zugbegleiter besaß nicht den Hauch einer Chance. Die Unbekannten lauerten dem Mann direkt nach Dienstschluss auf dem Nachhauseweg auf und verloren keinerlei Worte. Mit gezielten Schlägen wurde der Mitarbeiter einer Firma, die das Personal in den Zügen des privaten Bahnunternehmens National Express stellt, niedergeschlagen - wobei sich die Verletzungen des Angestellten als so schwer herausstellten, dass sie später stationär in einem Krankenhaus behandelt werden mussten.

Eine Szene, die zwar noch nicht Alltag ist in den Bahnen in der Region, aber doch immer häufiger vorkommt. "Die Zahl der Übergriffe hat deutlich zugenommen", sagte gestern ein Sprecher von National Express auf Anfrage unserer Redaktion. Und auch bei der Polizei registriert man mittlerweile eine zunehmende Verrohung der Sitten. So stieg die Zahl der Widerstandshandlungen gegen Beamte allein in Solingen im zurückliegenden Jahr um über 15 Prozent von 48 auf zuletzt 58 Fälle.

Dabei sind es vorwiegend scheinbar harmlose, vollkommen alltäglich wirkende Situationen, die mehr und mehr aus dem sprichwörtlichen Ruder laufen. Eine Party, bei der die Musik etwas zu laut gedreht wurde, ein Verkehrsunfall, bei dem es eigentlich nur einen Blechschaden zu beklagen gibt, ein Fahrgast, der an zwei Tagen hintereinander kontrolliert wird - die Anlässe für Aggressionen sowie für Übergriffe auf Polizisten, Zugbegleiter und andere erscheinen oft erschreckend banal.

Und zwingen die Verantwortlichen zum Handeln. "Bei uns durchlaufen sämtliche Kollegen in regelmäßigen Abständen Trainings, bei denen sie lernen, wie sie am besten auf verbale oder körperliche Attacken reagieren", berichtete der Sprecher von National Express, derweil bei der Polizei Deeskalation schon in der Ausbildung auf dem Lehrplan der zukünftigen Beamten steht.

Was wiederum nach Ansicht der Vorgesetzten bitter notwendig ist. "Wir beobachten nämlich seit Jahren einen Anstieg der Fälle", betonte ein Polizeisprecher, der überdies darauf verwies, dass inzwischen selbst Rettungskräfte zur Zielscheibe würden. "Häufig können Sanitäter nur mit unserer Hilfe aus brenzligen Lagen befreit werden", hieß es bei der Polizei.

Die Stadt Solingen ihrerseits hat aktuell keine gravierenden Probleme mit Gewalt in Behörden oder öffentlichen Gebäuden, sagte eine Sprecherin. In der Vergangenheit habe es nur vereinzelte Übergriffe gegeben. Zuletzt hatte 2014 ein damals 41-jähriger Mann einer Mitarbeiterin des Jobcenters ins Gesicht gespuckt und sie wüst bedroht. Die Stadt erstattete Anzeige und der Mann wurde zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Seitdem, so die Stadt, habe es keine größeren Vorfälle mehr gegeben.

Dennoch sind seit dem Vorfall im Jobcenter auch dort Sicherheitsleute im Einsatz. Und im Rathaus und im Verwaltungsgebäude Bonner Straße gelten ebenfalls höhere Sicherheitsvorkehrungen. In beiden Gebäuden gibt es seit April einen Empfang am Haupteingang. Wenn nach den offiziellen Öffnungszeiten der Behörde die übrigen Eingänge schließen, müssen sich Besucher am Empfang anmelden und werden dann an der Tür abgeholt. Durch die Zugangskontrolle will die Stadt eine bessere Übersicht bekommen, wer das Gebäude betritt.

Eine Maßnahme, die in den Zügen von National Express naturgemäß nicht möglich ist. Gleichwohl schützt auch das Unternehmen die Mitarbeiter. Wie bei der Polizei folgen auf alle Beleidigungen und Angriffe Anzeigen. Darüber hinaus werden Hausverbote für die Züge ausgesprochen. Was indes im Fall des zusammengeschlagenen Zugbegleiters nicht half. Die Täter wurden nie gefasst.

(RP)
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