Solingen Keramik - hauchdünn wie Papier

Solingen · Heute um 17 Uhr wird in der Galerie SK in den Güterhallen eine Ausstellung mit Keramiken von Antje Scharfe eröffnet.

 Der Berliner Keramikerin Antje Scharfe stellt ab heute in der Galerie SK in den Güterhallen aus.

Der Berliner Keramikerin Antje Scharfe stellt ab heute in der Galerie SK in den Güterhallen aus.

Foto: Stephan Köhlen

Unsere Erwartung von dem, was Keramik ist, wird in der Ausstellung der Berliner Keramikerin Antje Scharfe gründlich irritiert. Es gibt keine Töpfe in braunem Ton, kein gefälliges Dekor. Antje Scharfe macht keine Gebrauchskeramik im herkömmlichen Sinne. Und auch wenn sie mit Porzellan arbeitet, macht sie es nicht in traditioneller Weise. Keine Sammeltassen für die Vitrine, kein oberflächlicher Luxus. Bei Antje Scharfe spürt man die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Urmotiv der Keramik , dem "Gefäß" , als Bildanlass.

Als erstes stechen die großen vasenartigen Objekte ins Auge, die noch am ehesten unserem Bild von Keramik entsprechen. Aus der Frontalansicht sind es flache konturbetonte abstrakte Formen. Erst die Seitenansicht zeigt, dass das Volumen nicht vollständig aufgegeben ist. Die Vase ist bis auf ein Minimum abgeflacht und hat ihre Funktion nicht vollständig verloren. "Kultvasen" nennt die Künstlerin diese farbig gefassten Tonobjekte. Jedes einzelne hat einen individuellen starken Charakter, der sich in der prägnanten Gestalt und der malerischen, fast aquarellartigen Ausgestaltung zeigt.

Ganz leicht, fast wie aus Papier, wirken dagegen die zu Stillleben komponierten Gefäße aus Knochenporzellan. Hauchdünn und flach hat die Künstlerin das Porzellan zu Silhouetten verarbeitet, bei hohen Temperaturen gebrannt und anschließend mit lockerem Pinselstrich bemalt oder bedruckt. Der zweite Brand fixiert die Glasur, die wie Malerei oder Zeichnung wirkt. Die Einzelformen mit klar definierten Konturen arrangiert die Künstlerin in einem realen Vor- und Hintereinander auf einem Paraffinsockel. Es entsteht die Anmutung von Räumlichkeit, wie man sie aus der traditionellen Stilllebenmalerei kennt. Die "Still-leben-Gefäße", so auch der Titel dieser Werkgruppe, oszillieren zwischen Fläche und Raum. Antje Scharfe nennt dieses Prinzip "fake", eine Wahrnehmungstäuschung des Betrachters, mit der sie in vielen ihrer Arbeiten spielt.

Ein aufgeschlagenes Skizzenbuch entpuppt sich bei näherer Betrachtung ebenfalls als Illusion: die Seiten sind nicht aus Papier, sondern aus weißem Knochenporzellan.

Viele Experimente mit Materialverbindungen und Brenntemperaturen gingen den Arbeiten voraus. Antje Scharfe, die in der ehemaligen DDR ihr Studium an der Hochschule für industrielle Formgestaltung absolvierte, erzählt von Material-Engpässen, zum Beispiel bei Glasuren, die "aus der Not zu neuen kreativen Lösungen führten".

Dieser unkonventionelle Umgang mit Materialien und Verfahren macht den Reiz der Ausstellung aus. Die Motive sind unprätentiös und alltäglich, doch ihre spielerischen Kombinationen und raumhaltigen Kompositionen überzeugen und vermitteln insgesamt den Eindruck von beschwingter Leichtigkeit.

Antje Scharfe lebt und arbeitet in Berlin. Nach Lehraufträgen an der Akademie der Künste München war sie von 1994 bis 2007 Professorin für Plastik und Keramik an der Hochschule für Kunst und Design in Halle. Zahlreiche Symposien und Lehrtätigkeiten führten sie seitdem in die USA, nach Australien und Asien.

(gue)
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