Solingen Klamme Kassen - eine Stadt beteiligt ihre Bürger

Solingen · Die Finanznot der Kommunen nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Aus dem vergangenen Jahr steht ein gigantisches Defizit von 7,1 Milliarden Euro zu Buche. Die Politik steuert mit rigiden Sparmaßnahmen dagegen. Die Bürger werden meist vor vollendete Tatsachen gestellt. Nicht aber in Solingen im Bergischen Land. Dort stimmen die Bürger selbst über Sparvorschläge ab.

Das sind die Sparvorschläge für Solingen
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Das sind die Sparvorschläge für Solingen

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Foto: gms

Gewerbesteuer, Sexsteuer, Hundesteuer - mit teils abstrusen Maßnahmen versuchen auch NRW-Kommunen die Löcher zu stopfen. Während städtische Gebühren in die Höhe schnellen, werden Schulen, Schauspielhäuser und Schwimmbäder geschlossen.

Solingen aber geht andere Wege. Im Bürgerforum "solingen-spart.de" beteiligen sich Bürger an der Haushaltspolitik. Bis zum 25. März können die Bürger dort die vorgelegten Sparvorschläge und Ideen zur Erhöhung von Einnahmen bewerten und kommentieren. In einem "Kommunalen Bürgerhaushalt" will die Kommune gemeinsam mit ihren Bürgern die drohende Überschuldung der Stadt abwenden. Bis 2013 muss das jährliche Defizit um 45 Millionen Euro gesenkt werden.

Seit Anfang März ist das Portal "solingen-spart.de" freigeschaltet. Die Resonanz: 21.468 Besuche und über 11.200 Bewertungen der Sparvorschläge. Die Bürger diskutieren über den Einsatz von Energiesparlampen, Stellplätzen oder die Schließung von Bildungs- und Sporteinrichtungen. Sogar die Zusammenlegungen von Städten ist für sie nicht undenkbar. Schließlich geht es ums Sparen.

Drei Beispiele:

Beispiel eins: Gewerbesteuer
Eins der meist diskutierten Themen ist die Erhöhung der Gewerbesteuer, einer Steuer, die die Unternehmen abhängig vom erzielten Gewinn zahlen müssen. 535 Bürger stimmten bereits für den Vorschlag, 1101 Stimmen sind gegenteiliger Meinung. Anhand von 226 Kommentaren erfährt man wieso.

Aus der Pleite zum gesunden Sparen

Eine der ersten Kommentierungen nach der Freischaltung der Plattform zum Thema Gewerbesteuer stammt von "nissas2203": "Eine Anhebung der Gewerbesteuer führt zum dem, was wir hatten. Die Unternehmen wandern ab." User "gekp" ist ganz anderer Meinung. Er fordert die Zusammenlegung der bergischen Städte Remscheid, Solingen und Wuppertal zu einer Großstadt: "3x pleite= 1x gesund. Denn da würde gespart. Ein Oberbürgermeister und zwei gespart. Die Verwaltungen würden sich mit den Jahren verkleinern und das wären Kosten."

User "Bernd" sieht die Problematik bei den Rahmenbedingungen für die Unternehmen und schreibt: "Industrie locken und nicht verjagen, es ist wichtig dafür zu sorgen, dass mehr Unternehmen sich ansiedeln. Dazu führen günstige Bedingungen, schnelle Genehmigungen und niedrige Entgelte und Steuern."

Beispiel zwei: Schwimmbäder
Der Schließung von Schwimmbädern stehen viele Solinger skeptisch gegenüber. Heiß diskutiert wird beispielsweise das mögliche Aus des Hallenbads Vogelsang. "Chapman" äußert sich dazu: "Das Vogelsangschwimmbad muss doch bleiben. Es ist zentral gelegen und noch nicht baufällig, aber wir können auch in andere Städte abwandern und dort schwimmen gehen."

"Sehr, sehr unsozial"

Auch 'Monika 123' ist für den Erhalt des Bades: "Es ist ein preiswertes und gesundes Freizeitvergnügen, gerade für unsere Kinder, die sich viel zu wenig bewegen. Und wohin sollen die älteren Leute schwimmen gehen, die kein Auto zur Verfügung haben, um z.B. nach Burscheid zu fahren? Fazit: Sehr, sehr unsozial." Das Votum fällt eindeutig aus. Insgesamt 926 Bürger haben bislang gegen die Schließung des Bades gestimmt.

Beispiel drei: Verkehr und Sicherheit
Vorschlag der Stadt ist es, eine Überwachung von Ampeln mit Unfallschwerpunkten einzuführen. Dies soll mit Hilfe einer Radaranlage geschehen. Der Vorschlag stößt auf die Kritik der User: "Spätestens drei Wochen nach Errichtung weiß doch eh jeder, wo die Blitzer stehen. Dann übersteigen die Betriebskosten die Einnahmen um einiges", bewertet User "Politikum" den Vorschlag. Auch "Brummbär" wettert dagegen: "Die Anschaffungskosten sind viel zu hoch um sinnvoll zu sparen. Das ganze sieht nur nach Abzocke aus." 362 User sind gegen diesen Vorschlag. Die schweigende Mehrheit ist mit 662 Stimmen jedoch dafür. Ihr Tenor: "Sicherheit geht vor".

Die Diskussion der Sparvorschläge geht in dieser Woche in die Endrunde. Die Bürgerbeteiligung läuft noch bis Donnerstag, 25. März, 24 Uhr. Danach wird ausgewertet, welche Vorschläge die größte Zustimmung oder größte Ablehnung erfahren haben.

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