Solingen Kunstwerke als Einladung zum Denken

Solingen · Matthias Wollgast ist der diesjährige Bergische Kunstpreisträger der National-Bank. Sein Medium ist die kameralose Fotografie.

 Blick auf die Installation "The shared Oasis of the Gift Shop" (2014) von Matthias Wollgast.

Blick auf die Installation "The shared Oasis of the Gift Shop" (2014) von Matthias Wollgast.

Foto: Kunstmuseum Solingen

Vielleicht ist es für das grundsätzliche Verständnis des Werkes von Matthias Wollgast zu empfehlen, sich erst einmal mit einzelnen Elementen seiner mit dem Bergischen Kunstpreis der National-Bank ausgezeichneten Installation "The shared Oasis of the Gift Shop" (2014) zu beschäftigen. Die Werkbezeichnung gibt Auskunft: Hohlpappe, Spiegeldibond, MDF-Platten, Plexiglas, kameralose Fotografien, Künstlerbücher, Postkarteneditionen, einzelne Postkarten, Poster. Alles zusammen ergibt einen auf die jeweiligen Ausstellungsräume abgestimmten Museumsshop, wie man ihn in vielen Ausstellungsinstituten antreffen könnte. Oder, wie Wollgast "The shared Oasis of the Gift Shop" selber beschreibt, "das Zitat eines Shops" in Form der Zusammenführung mehrerer einzelner Arbeiten des Künstlers.

Im Shop finden sich Bücher, Poster und Postkarten. Die Karten sind jedoch nicht nur aufgereiht in einem kleinen Wandregal, sondern sie finden sich auch in einem der ausliegenden Künstlerbücher. Und hier beginnen die Irritationen. Denn die Postkarten zeigen bekannte Kunstwerke, etwa eine typische Skulptur von Brancusi oder eine "Grimassen"-Büste von Franz Xaver Messerschmidt. Allerdings stehen auf den Rückseiten der Karten die Hinweise "Matthias Wollgast - Figur" und eine Werknummer. Sind die Karten also der Konzeptkunst zuzurechnende "Appropriation Art", exakte Kopien der Werke anderer Künstler? Nein, denn hier kommt ein Medium ins Spiel, das Wollgast selber entwickelt hat: die kameralose Fotografie. Technisch gesehen sind Wollgast Bilder Fotografien, denn der Künstler hat sie mittels der Belichtung eines Negatives auf Fotopapier geschaffen. Das Negativ für den Kontaktabzug erzeugt der Düsseldorfer aber nicht mittels eines Fotoapparats - deshalb auch kameralose Fotografie - sondern mit farbigen transparenten Folien an einer Leuchtwand in seinem Atelier. Die Untersuchung, welche Farben welche Grautöne in der Belichtung ergeben, hat Wollgast in einem Künstlerbuch veröffentlicht: "Notat". Ausgangspunkt der Untersuchungen des Künstlers war das 1906 erschienene Buch "Die Grundlagen der Farbenphotographie" von Dr. B. Donath.

"Ich habe viel gelesen über die kameralose Fotografie. Kein Künstler, der sich damit beschäftigt hat, ist aber über das Experiment hinausgekommen", erzählt Wollgast. Also widmete sich der Künstler intensiv diesem fast in Vergessenheit geratenen Medium. "Wissenschaftliches Arbeiten liegt mir und ich wollte das in ein echtes Medium verwandeln. Jetzt habe ich mein eigenes", so Wollgast.

Nach Anfertigung des Negativs wird der 1:1-Kontaktabzug auf Barytpapier von Wollgast koloriert. "Hier findet sich ein malerischer Akt", beschreibt der Künstler, der an der Düsseldorfer Kunstakademie auch Malerei studiert hat. Das Endergebnis ist verblüffend nah am Original. "Dieser Moment des Kippens ist mir wichtig, dass die Arbeit bei nahen Schauen als ein Wollgast zu erkennen ist", erklärt der Künstler, dessen Werke Gisela Elbracht-Iglhaut vom Kunstmuseum als "eine Einladung zum Denken" bezeichnet: "Wollgast thematisiert mit seiner Installation verschiedene Aspekte der Kunstgeschichte, Theorien des Kunstbegriffes, Fragen nach der Präsentation von Kunst und Überlegungen zu deren Kommerzialisierung. Die theoretischen Überlegungen, die der Betrachter nachvollziehen muss, verbinden intelligent und vielschichtig kunsthistorische, kunsttheoretische, ästhetische und philosophische Betrachtungsweisen."

(mit)
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