Solingen Kurzbach: Die AfD polarisiert die Gesellschaft

Solingen · Teilnehmer aus Politik und Kultur warnen bei Diskussion im Kunstmuseum vor digitaler "Erregungsdynamik".

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Foto: qvist /Shutterstock.com/Retusche RPO

Nach den Wahlerfolgen der rechtspopulistischen AfD in drei Bundesländern wächst die Sorge um die Diskurspflege in Deutschland. In einer Diskussionsrunde der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung warnten Teilnehmer aus Politik und Kultur am Montagabend im Kunstmuseum an der Wuppertaler Straße in Gräfrath davor, dass in der digitalen Welt "Empörung" zunehmend den "Standpunkt" ersetze. Debatten verkürzten sich immer mehr auf Sätze, die man sich gegenseitig zuwerfe.

Die AfD, die bei den jüngsten Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Wahlergebnisse im zweistelligen Bereich erzielen konnte, setze auf "Geschrei und Getöse" statt auf Antworten zu den Fragen der Zeit, sagte Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD). Es werde "übertrieben, aufgebauscht und geschwindelt, was das Zeug hält". Mit diesen Methoden habe die AfD davon profitiert, dass sich die Gesellschaft "polarisiert und atomisiert" habe und von den klassischen Medien immer weniger erreicht werde. Deshalb sei es zwingend notwendig, wieder zu einer gesellschaftlichen Diskurskultur zu kommen, in der "Vernunft und Verstand" eine Zukunft hätten.

Der Würzburger Publizist und Medienberater Patrick Breidenbach sprach von einer "Erregungsdynamik" im Internet, die den klassischen Diskurs ersetzt habe. Davon profitierten insbesondere Gruppen, denen bislang weniger mediale Aufmerksamkeit zuteilgeworden sei. "Menschen, die nicht gehört werden, reagieren unerhört." Dabei gelte: "Wer am erregtesten kommuniziert, bekommt das meiste Feedback."

Letztendlich machten die neuen "Ich-Medien" wie Facebook damit aber nichts anderes, als eine Funktionsweise der klassischen Medien zu kopieren. Denn auch dort gehe es darum, über Schlagzeilen Empörung zu generieren. Jedoch sorge die Informations- und Themenflut im Internet für ein stetig steigendes Ausmaß von Aufregung, in der aber Argumente immer weniger zählten.

NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) kritisierte eine vom Internet erzeugte Kultur des "Sofortismus". Darin könne die Nichtäußerung gleichermaßen skandalisiert werden wie eine deftige Bemerkung, die sich zu einem sogenannten Shitstorm ausweite. Dieses Phänomen habe auch die Talkshows im Fernsehen ergriffen: "Wer sich empört, hat die Aufmerksamkeit." Deshalb sei zu hinterfragen, ob Talkshows überhaupt der richtige Ort seien, "um den Diskurs zu suchen".

Die Schriftstellerin und Journalistin Hatice Akyün zeigte sich besorgt über das Ausmaß von Hass im Internet: "Die Macht, die Menschen im Internet nutzen, um Angst und Schrecken zu verbreiten, ist sehr ausgeprägt." Oft fange mit einem Shitstorm etwas an, was in Morddrohungen ende. Deshalb müsse der Gesetzgeber stärker dafür sorgen, dass Gewaltandrohungen im Internet genauso geahndet werden wie im Alltag.

(epd)
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