Solingen Lebensgefährliche Pillen aus dem Internet

Solingen · Apothekerverband stellt das Thema Medikamentenfälschungen in den Mittelpunkt seines Herbstempfangs.

So schützen Sie sich vor gefälschten Arzneimitteln
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Foto: dpa, Franziska Koark

Marlene Langenberg-Nüsser erinnert sich noch genau an die Frau, die mit einer blauen Kapsel in ihre Apotheke kam. Sie habe das Medikament bei einem Angehörigen gefunden, berichtete die Frau. Langenberg-Nüsser ließ die Kapsel im Labor untersuchen, das fand Koffein und undefinierte Kräuter - und, ist sich Langenberg-Nüsser sicher, eine plumpe Viagra-Fälschung aus dem Ausland, bestellt über das Internet.

Ein massives Problem, mit dem sich die Mitglieder des Apothekerverbands Bergisch-Land, dessen Vorsitzende Langenberg-Nüsser ist, bei ihrem Herbstempfang zum Thema "Medikamentenfälschungen" im Museum Plagiarius beschäftigten: "Man kann davon ausgehen, dass 50 Prozent der Medikamente, die im Internet bestellt werden und von Händlern außerhalb Europas kommen, gefälscht sind", macht Langenberg-Nüsser deutlich, "und die Zahlen nehmen weiter zu."

Denn der Handel mit gefälschten Medikamenten, vorrangig Potenzmittel, Präparate zum Muskelaufbau oder Abnehmpillen, ist lukrativ. Zunehmend würden deshalb auch Medikamente zur Behandlung ernsthafter Krankheiten, von Krebs oder Bluthochdruck, gefälscht. "Im besten Fall haben diese Medikamente keinen Wirkstoff, im schlimmsten Fall enthalten sie auch mal Straßenteer", so Langenberg-Nüsser.

Dass Plagiate von Medikamenten in Apotheken gelangten, sei hingegen sehr selten. "Wir haben ein System, in dem Medikamente zigmal überprüft werden. Derzeit arbeiten Apotheken, Pharmaindustrie und der pharmazeutische Großhandel an einem fälschungssicheren Siegel, das jede einzelne Packung genau identifiziert."

So unterscheiden sich Original und Generikum
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Foto: dpa, Matthias Hiekel

Wer gefälschte Medikamente nehme, spiele mit seinem Leben, warnt Alwin Bogan, Pressesprecher des Hauptzollamtes Krefeld. "Die Medikamente werden vorrangig in Indien, Thailand und China in Hinterhof-Werkstätten unter katastrophalen hygienischen Zuständen zusammen geklöppelt." Bogan weiß, wovon er spricht: Es vergehe kein Tag, wo der Zoll keine gefälschten Medikamente aus dem Ausland finde. Die Medikamente kommen in loser Schüttung in kleinen Plastiktütchen, ohne Blister oder Beipackzettel oder in kleinen Fläschchen mit Aufdrucken in fehlerhaftem Englisch.

Jedes Paket aus dem außereuropäischen Ausland wird vom Zoll in Anwesenheit des Bestellers geöffnet, nicht zugelassene Medikamente nicht ausgehändigt und ein Strafverfahren eingeleitet.

Allerdings: Der Händler hat sein Geld zu diesem Zeitpunkt schon bekommen und ist für die Strafverfolgung kaum noch greifbar. "Diese Händler leben von der hohen Zahl an Erstbestellern", sagt Alwin Bogan.

Auch Professor Harald Schweim von der Universität Bonn, der im Anschluss an die Führung durch das Museum Plagiarius zum Thema Arzneimittelfälschungen referierte, bezeichnete das Internet mit seinem illegalen Angebot als Hauptproblem, verwies aber auch auf das mangelnde Bewusstsein in der Bevölkerung - und auf ein weiteres Problemfeld: den Kauf von Arzneimitteln im Urlaub. "Apotheker sollten ihre Kunden in der Art und Weise beraten, dass sie Arzneimittel aus Europa mitnehmen, wenn sie verreisen, und auch eine Notfallapotheke dabei haben."

(mxh)
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