Solingen Literarisches von Lust und Last(er) der Liebe

Solingen · Ingrid Steeger und Michael Oenicke präsentierten "Herzgeschichten" der Weltliteratur" im Gräfrather Kammerspielchen.

 Der ehemalige Klimbim-Star Ingrid Steeger las Liebesgeschichten und -gedichte der Weltliteratur. Ihre drei Hunde hörten zu.

Der ehemalige Klimbim-Star Ingrid Steeger las Liebesgeschichten und -gedichte der Weltliteratur. Ihre drei Hunde hörten zu.

Foto: Stephan Köhlen

Sie lässt uns lachen und leiden, spendet Lust und hält uns auf Trab: die Liebe. Auch die Weltliteratur hat sie wie keine zweite menschliche Leidenschaft bewegt. Wie sehr, machten Ingrid Steeger und Michael Oenicke ihrem Publikum im Solinger Kammerspielchen klar. In ihrem Programm "Herzgeschichten" unternahmen die beiden eine facettenreiche literarische Rundreise durch die Welt der Gefühle.

Ein fiktiver Briefwechsel zwischen der Schriftstellerin Iris und dem Kritiker Dirk bildete den Rahmen für Prosatexte, Briefe und viele Gedichte. Und so saßen die Schauspielerin und der liebevoll von ihr "Papa" genannte Oenicke gemütlich nebeneinander am Tisch, vor sich je einen Stapel von einer Glühlampe beleuchteter Lesungsunterlagen, und präsentierten, umgeben vom behaglichen Wohnzimmerambiente der guten alten Siebziger, 90 Minuten gut gestaltete, klug ausgewählte und perfekt inszenierte literarische Kurzweil. Erich Kästners Ansprache einer Bardame und die melancholischen Gedichte der Marilyn Monroe ließen ahnen, wie viel Schwermut die Liebe birgt. Erich Frieds Analyse der Liebe ist lakonischer Natur.

"Es ist was es ist - die Liebe", sagt er, während Brechts "Ballade von einem Weib" Weitsichtiges über wahre und falsche Gefühle preisgibt. "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund" zitierte Oenicke mit tiefschürfender Ironie Francois Villon, seine Partnerin antwortete mit Christian D. Schubert, zitierte aus einem Liebesbrief Otto von Bismarcks und brachte schließlich den großen Karl Valentin ins Spiel. Und was wäre ein Leseabend ohne den großen Eugen Roth? "Ein Mensch, und das geschieht nicht oft/Bekommt Besuch, ganz unverhofft/Von einem jungen Frauenzimmer/Das grad, aus was für Gründen immer/Vielleicht aus ziemlich hintergründigen/Bereit ist, diese Nacht zu sündigen." Diese und viele andere Bonmots des Münchener Humoristen waren zu hören - sie fanden sich in bester Gesellschaft mit einem verflucht pikanten Gedicht Goethes, mit Tucholski, Ringelnatz, Robert Gernhard und Rilke, dessen Herbstgedicht zusammen mit Kästners "Sachlicher Romanze" zu den Meisterwerken des Abends gehörte. Aber auch Besinnliches des selten gelesenen Robert T. Odemann kam zu Gehör. Witziges mischte sich mit Traurigem, Sinnliches mit Besinnlichem, und doch war der literarische Abend an keiner Stelle albern oder gar kitschig. Es war eine Lesung mit Stil. Aufgelockert wurde sie durch neckische kleine Unterhaltungen und Reflexionen, die fast immer in Verse mündeten. Und durch Ingrid Steegers Yorkshire-Terrier Liza-Doolittle und ihre beiden vierbeinigen Kumpels, die der Lesung auf der Bühne zumeist brav beiwohnten und diese durch drollige kleine Einlagen bereicherten. Nur gelegentlich auftretendem Gebell gebot die Schauspielerin mit einem kurzen, strengen Ordnungsruf ("Liza-Doolittle!") Einhalt, und dann war wieder Ruhe. Und alle Hunde saßen auf den Kanapees und spitzen die Ohren. Fast als warteten sie auf ein Gedicht aus dem Liebesleben der Kläffer - aber das war wohl das Einzige, was an diesem Abend nicht zu hören war.

(RP)
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