Solingen Ministerin: Gedenken ist wichtig, richtig und nötig

Solingen · Nach der Erinnerung an den Brandanschlag vom 29. Mai 1993 am Mahnmal wurde der Silberne Schuh verliehen.

Über 5000 Ringe sind fest um das Mahnmal am Mildred-Scheel-Berufskolleg geschweißt als Zeichen gegen Rassismus und Intoleranz jeder Art. In der Jugendhilfewerkstatt, die die Skulptur errichtet hat, wurden allein in diesem Jahr schon 100 neue Ringe hergestellt. Rund um das stilisierte Paar, das ein Hakenkreuz zerreißt, obwohl es auch aus Stahl ist, wurde gestern zum 22. Jahrestag des Brandanschlags auf das Haus der Familie Genç einmal mehr ein würdiges Gedenken gestaltet.

Die türkische Familie, die bei dem Anschlag fünf Angehörige verlor, leidet bis heute schwer, körperlich und seelisch, sagte Oberbürgermeister Norbert Feith und erinnerte an die "wichtige Versöhnungsarbeit", die die Mitglieder geleistet hätten und noch leisten. Als "wichtig, richtig und nötig" bezeichnete die stellvertretende Ministerpräsidentin und Schulministerin Sylvia Löhrmann das Erinnern an die schreckliche Tat von rechtsradikalen Jugendlichen. Gerade heute, wo Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt werden und sich 57 Prozent der Deutschen vom Islam bedroht fühlen, so Sylvia Löhrmann, müsse man achtsam sein gegen jede Form der Ausgrenzung. "Hass fällt in breiten Teilen der Bevölkerung wieder auf fruchtbaren Boden." Um so wichtiger sei eine starke Zivilgesellschaft, die zum Beispiel in der Landeshauptstadt dafür sorgte, dass Pegida nicht Fuß fassen konnte.

Alattin Temür, der türkische Generalkonsul in Düsseldorf, erinnerte daran, dass die hier lebenden Türken unsere Gesellschaft bereichern würden und es ihnen immer wieder gelänge, Brücken zwischen den Nationen schlagen.

Die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises, Dr. Ilka Werner, sagte an die Familie Genç gerichtet: "Weil sie damals und seitdem immer wieder zu Versöhnung und Freundschaft aufgerufen haben, ist es gelungen, Frieden in unserer Stadt zu stiften und zu bewahren." Die anschließenden Koranrezitationen von Imam Salih Yildi wurde von Schülerinnen des Mildred-Scheel-Berufskollegs übersetzt und mit einem eigenen Gedicht ergänzt. Darin sagen die jungen Mädchen Nein zu Fanatismus, Rassismus und Faschismus.

Wie seit zwölf Jahren üblich, verleiht im Anschluss an die Gedenkstunde das Bündnis für Toleranz und Zivilcourage den Silbernen Schuh, mit dem in diesem Jahr die ehemalige Landtagsabgeordnete und Bürgermeisterin Erika Rothstein ausgezeichnet wird. "Selbst als die Worte langsamer wurden, hat sie sich nicht versteckt und wollte offen mit dem Thema Demenz umgehen", sagte Oberbürgermeister Norbert Feith im Hinblick auf die Erkrankung der Preisträgerin, die an der Feierstunde nicht teilnehmen konnte. Sohn Mathias Rothstein nahm den Preis für seine Mutter entgegen und berichtete, dass sich der Zustand seiner Mutter nach einem Oberschenkelhalsbruch und dem anschließenden Krankenhausaufenthalt deutlich verschlechtert habe.

Mathias Rothstein nutzte die Gelegenheit auch, um sein Befremden über Krankenkasse und medizinischen Dienst zu betonen. Er zeigte kein Verständnis dafür, dass man "Menschen das verweigert, was ihnen zusteht" und meinte damit die Einstufung in höhere Pflegestufen. Und er ist sicher, dass sich auch seine Mutter angesichts solcher Unstimmigkeiten öffentlich und nicht weniger deutlich als er zu Wort gemeldet hätte.

(RP)
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