Dr. Harald Bannies Mit Cannabisblüten high auf Rezept?

Solingen · Am 10. März, also vor gut sieben Wochen, trat das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften in Kraft. Es gibt Ärzten mehr Möglichkeiten, Cannabisarzneimittel zu verschreiben. Die Solinger Morgenpost sprach mit dem Höhscheider Mediziner Dr. Harald Bannies über Chancen und Risiken.

 Dr. Harald Bannies lehnt die Änderung des Gesetzes nicht ab, setzt sich aber kritisch damit auseinander.

Dr. Harald Bannies lehnt die Änderung des Gesetzes nicht ab, setzt sich aber kritisch damit auseinander.

Foto: mak

Medikamente auf Hanf-Basis hat es schon länger gegeben. Was ist jetzt neu?

BANNIES In Deutschland sind seit vielen Jahren schon zwei Fertigarzneimittel zugelassen. Sie werden bei neurologischen Erkrankungen wie einer Spastik verschrieben und sollen auch gegen Übelkeit bei einer Chemotherapie wirken. Beide werden auch in der Palliativmedizin eingesetzt, obwohl sie dafür eigentlich nicht zugelassen sind. Außerdem bestand bereits die Möglichkeit einer Ausnahmeerlaubnis zum Cannabis-Erwerb. Neu ist jetzt, dass es andere Darreichungsformen wie etwa Extrakte oder Cannabisblüten gibt. Aus ihnen bereitet sich der Patient Tee zu oder er verdampft sie, um die Inhaltsstoffe zu inhalieren.

Sie sind Allgemeinmediziner und Spezialist für Schmerztherapie. Für welche Patienten kommt Cannabis am ehesten infrage?

BANNIES Es kommt am ehesten für schwerkranke Patienten infrage, bei denen eine anerkannte medizinische Versorgung nicht zur Verfügung steht. Cannabis wirkt nicht nur gegen Übelkeit und Verkrampfungen, sondern regt auch den Appetit an und soll das Wohlbefinden fördern. Auch die Stimmung wird aufgehellt. Als reines Schmerzmittel hat Cannabis keine Bedeutung.

Bei der Redaktion hat sich beispielsweise ein ADHS-Patient gemeldet, der ein Medikament mit Methylphenidat einnimmt. Er würde stattdessen gerne Cannabis ausprobieren; sein Hausarzt hält aber nichts davon.

BANNIES Es liegt im Ermessen des einzelnen Arztes, welches Medikament er für richtig hält. Cannabis darf von allen Medizinern - bis auf Zahn- und Tierärzte - verschrieben werden. Sie müssen es verantworten und die Kranken herausfiltern, bei denen der Einsatz angezeigt ist. Zum konkreten Fall: Mit dem Wirkstoff Methylphenidat ist bereits ein hoher wissenschaftlicher Standard vorgegeben.

Die Krankenkassen müssen die Kostenübernahme genehmigen. Die AOK Rheinland/Hamburg etwa hat bisher erst 28 Anfragen gehabt, von denen 26 genehmigt wurden. Wie oft haben Sie Cannabisarzneimittel verschrieben?

BANNIES Als Fertigarzneimittel schon mehrfach, in Darreichungsformen nach dem neuen Gesetz noch nicht. Ich hatte zwar ein, zwei telefonische Anfragen, aber noch keine Patienten, die sich in der Praxis danach erkundigt haben.

"Ärztinnen und Ärzte sollten sich in eigener Verantwortung über den wissenschaftlichen Sachstand informieren", heißt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn. Könnte die geringe Verschreibungsquote daraus resultieren, dass viele Ärzte Angst haben, Neuland zu betreten?

BANNIES Das glaube ich eher nicht. Ich gehe davon aus, dass die Ärzte ihren Patienten zugetan sind und kritisch prüfen, was für sie das Richtige ist.

Herkömmliche Medikamente haben ellenlange Beipackzettel, die vor Nebenwirkungen warnen. Wie ungefährlich sind Cannabisprodukte? Wer in den 60er Jahren aufgewachsen ist, hörte Sprüche wie "Haschu Haschisch innen Taschen, haschu immer waschunaschen".

BANNIES Zum Naschen sind die neuen Angebote sicher nicht gedacht. Risiken gibt es zum einen bei der Dosierung: Wer überprüft, ob die in der Verordnung genannten Höchstmengen eingehalten werden, wenn sich jemand einen Tee macht? Zum anderen sind beispielsweise Krampfanfälle möglich. Vorsicht ist auch bei Schizophrenie angezeigt. Zudem wird immer wieder das Suchtpotential diskutiert.

Ihr persönliches Fazit?

BANNIES Es gibt zwei Lager von Ärzten: Eine Gruppe hat das Gesetz herbeigesehnt, die andere betrachtet es kritisch. Als das Gesetz eingebracht wurde, ging es um Hilfe für Schwerkranke und Sterbende. Wer kann sich dem verschließen? Persönlich lehne ich die Änderung nicht ab, setze mich aber kritisch mit ihr auseinander.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE FRED LOTHAR MELCHIOR

(flm)
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