Solingen/Düsseldorf Mordkomplott für die Familienehre

Solingen/Düsseldorf · Der erste Prozesstag im Fall der seit einem Jahr vermissten Hanaa S. hat schleppend begonnen. Zum einen zweifelt die Verteidigung an, dass das Landgericht Wuppertal zuständig ist. Zum anderen hat sie den Richter für befangen gehalten.

 Am 21. April 2015 war Hanaa S. spurlos verschwunden. Weder lebendig noch tot konnten die Fahnder die Solingerin wiederfinden.

Am 21. April 2015 war Hanaa S. spurlos verschwunden. Weder lebendig noch tot konnten die Fahnder die Solingerin wiederfinden.

Foto: Polizei

Am Ende eines langen Verhandlungstages konnte doch die Anklage verlesen werden. Bis zum frühen Nachmittag hatten die Verteidiger der fünf Angeklagten mit immer neuen Anträgen versucht, das zu verhindern. Die Rechtsanwälte, deren Mandanten sich für den Mord an Haana S. verantworten müssen, halten den Vorsitzenden Richter Thomas Bittner für befangen. Außerdem zweifeln sie an, dass das Landgericht Wuppertal überhaupt zuständig ist für das Verfahren, für das bereits jetzt 47 Verhandlungstage terminiert sind.

Über die Anträge soll bis zum nächsten Verhandlungstag am kommenden Donnerstag entschieden werden. Überraschend beantragte dann die Verteidigung die komplette Aussetzung des Verfahrens, weil der angeklagte Ehemann der Getöteten angeblich weder lesen noch schreiben kann und so die Anklageschrift nicht habe verstehen können. Die Anwälte des 41-Jährigen betonten, sie hätten auch erst jetzt davon erfahren. "Niemand möchte gerne zugeben, dass er Analphabet ist", sagte einer der Verteidiger.

Der schwierige Prozessbeginn gibt einen Vorgeschmack darauf, wie problematisch es werden könnte, den Mord an Hanaa S. aufzuklären. Die Leiche der Irakerin ist bis heute nicht gefunden worden. Die Tatverdächtigen - darunter ihr Ehemann und ihr heute 18-jähriger Sohn - haben sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Auch bei den anstehenden Zeugenaussagen zeichnen sich Probleme ab, da ein Großteil der Geladenen mit den Angeklagten verwandt ist und viele daher ein Recht auf Verweigerung der Aussage haben. 50 Zeugen stehen bereits jetzt auf der Ladungsliste des Gerichts.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt davon, dass der Ehemann, dessen Schwester, zwei seiner Brüder und ihr eigener Sohn gemeinsam den Entschluss fassten, die 35-Jährige zu töten. Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt sprach in der Anklage von einem konservativ-patriarchalischen Familienbild, nach dem Haana S. getötet werden musste, um die Familienehre wieder herzustellen.

Die Frau hatte sich von ihrem Ehemann getrennt. Jahrelange Misshandlungen sollen der Grund dafür gewesen sein, dass sie mit ihrer jüngsten Tochter aus der ehelichen Wohnung in Düsseldorf auszog und fortan in Solingen lebte. Als sie hier einen neuen Mann kennenlernte und mit ihm zusammenzog, sah sich der Familien-Clan laut Anklage gezwungen, zur Wiederherstellung der Ehre zu töten. Eine Bekannte soll Haana S. zu diesem Zweck in ihre ehemalige Wohnung in Solingen gelockt haben, die sie gerade auflösen wollte. In der Wohnung soll es zu einem Kampf gekommen sein, bei dem Haana S. ihren 25-jährigen Schwager verletzt hat. Entsprechende Spuren konnten gesichert und ausgewertet werden.

Heribert Kaune-Gebhardt ist sicher, dass die Frau bei diesem Treffen getötet und dann, in einen Teppich gerollt, in den Hildener Stadtwald gebracht wurde. Dort soll ihr Ehemann gewartet haben, um sich vom Tod der Frau zu überzeugen. Unter Umständen könnte die Frau auch dort erst vom Ehemann getötet worden sein. Die Leiche von Haana S. suchen die Ermittler bisher vergeblich. Sie wird in einem Waldstück bei Kronau (Baden-Würtemmberg) vermutet.

Der Prozess wird an Donnerstag, 30. Juni, fortgesetzt.

(aki)
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