Solingen Muntere Mörderjagd von anno dazumal

Solingen · Im ausverkauften Theater ließen Bastian Pastewka und seine Komplizen den legendären Privatdetektiv Paul Temple wieder lebendig werden.

Da sitzen fünf Schauspieler über zwei Stunden lang auf fünf Stühlen herum. Sie sprechen etwa 20 Rollen eines Hörspiels. Da sollte doch eigentlich das große Gähnen im Publikum beginnen. Aber es kam ganz anders. Es wurde einer der vergnüglichsten Abende, die das begonnene Jahr wohl im Pina-Bausch-Saal des Theaters zu bieten hatte. "Straßenfeger" heißt das Stichwort. Gut, Solingens Straßen waren am Dienstagabend vielleicht nicht leer gefegt. Dafür aber war das Theater ausverkauft. Und man bekam ein echtes Gefühl dafür, was vor einem halben Jahrhundert die Menschen gebannt vor den Radioempfängern sitzen ließ, als der legendäre René Deltgen als Privatdetektiv Paul Temple auf Mörderjagd ging.

Bastian Pastewka und seine vier Komplizen (Alexis Kara, Edda Fischer, Kai Magnus Sting und Eva Verena Müller als die unvermeidliche Gattin Steve) brachten "Paul Temple und der Fall Gregory" von Francis Durbridge auf die (Hörspiel-)Bühne. Und das mit allen Effekten. Da ließ man die Türen knallen, der platzende Luftballon gab den Revolverschuss und mit dem Mixer in der Plastikwanne wurde die Fahrt mit dem Motorboot imitiert. Und wenn dann noch Kai Magnus Sting an der eigenen Krawatte in der eigenen Hand baumelnd den erhängten Professor gab, war endgültig klar: Der Fall Gregory ist fesselnd und spannend - aber man muss es auch nicht ganz so ernst nehmen.

So gelang Bastian Pastewka als Paul Temple und seinem Team eine tolle Leistung: Zum einen verkörperte er geradezu authentisch den Hörspiel-Detektiv in der Manier der 50er und 60er Jahre. Zum anderen aber blitzte immer die ironische Distanz durch - das lustvolle Spiel mit dem Spiel. Denn Durbridge ist in seinem Stil ja alles andere als zeitgemäß. So ein wenig wie die Väter der Klamotte aus der Hörspiel-Abteilung.

Dem Ganzen setzte die geniale Originalmusik der Paul-Temple-Hörspiele von Hans Jönsson die dramatische Krone auf: eine Klangmischung aus "Stahlnetz" und "Der Kommissar". Und auch das geschah mit munterem Augenzwinkern. In der Bearbeitung von Bastian Pastewka und Regisseur Leonhard Koppelmann ging es aber nicht nur darum, was der fiese Gregory so alles verzapft und wer der eigentliche Schuft ist, der sich hinter diesem Namen versteckt. Wie aus dem Bauch heraus wurde das Spiel unterbrochen und die Schauspieler unterhielten sich über das, was sie gerade veranstalten.

"Warum heißt die Frau von Paul Temple eigentlich Steve?", fragte Eva Verena Müller. Pastewkas Antwort: "Hätte Durbridge sie vielleicht Günther nennen sollen ?" Auch die Spannungsmomente wurden so geistreich aufs Korn genommen. Denn zweifellos: Francis Durbridge ist ein Meister der Spannung und der unvorhergesehenen Wendungen. Dahinter verschwindet fast der Umstand, dass seine Stories durchaus hanebüchen sind. So auch im Fall Gregory.

Bastian Pastewka und seine Komplizen kosteten das zum Vergnügen der Zuschauer mit Lust aus. Man konnte sich kaum entscheiden, ob man lieber zusehen oder zuhören wollte. Der Fall Gregory ist zudem ein Kuriosum, wie die Schauspieler erklären konnten. Es war die erste deutsche Paul-Temple-Produktion des damaligen NWDR aus dem Jahr 1949. Pastewka: "Durbridge hatte zwar schon in den 30er Jahren Hörspiele für die BBC geschrieben, aber in Deutschland dürfte man ja zu dieser Zeit nur Marschmusik und Hitler-Reden hören." Das Tonband wurde - warum auch immer - irgendwann gelöscht. Auch die Originalfassung der BBC ist verschollen. Bastian Pastewka und Co. fanden aber in den deutschen Rundfunkarchiven große Manuskript-Teile. Und da es aus denselben Jahren eine erhaltene Produktion des Norwegischen Rundfunks gab, konnten die Lücken ergänzt werden.

Alles zusammen wurde zu einer nostalgischen Zeitreise, die Lust auf mehr macht. Fortsetzung erwünscht.

(RP)
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